Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
an. Es war so lange her, seit er Interesse an der Theatergruppe gezeigt hatte. Sie hatte zwar mit ihm über die laufende Produktion geredet, dabei ihre untergeordnete Rolle überspielt und lediglich über ihre Ideen zu dem Stück gesprochen, aber seit Monaten war er schon nicht mehr ansprechbar gewesen.
»Nun, wir hatten gestern eine ziemlich schlechte Kostümprobe. Tatsächlich war sie so übel, daß es schon wieder lustig war...« Sie erzählte ihm einige der Höhepunkte, und als sie zu dem zusammenbrechenden Tisch kam, lachte ihr Vater so sehr, daß er fast den Tee verschüttet hätte. Dann sagte er: »Weißt du, ich denke, ich könnte zur Premiere kommen. Das heißt«, fügte er einschränkend hinzu, »wenn es nicht wieder einer meiner abwesenden Tage ist.«
Dierdre nahm die Tasse und wandte sich ab. Sie spürte den brennenden Druck der Tränen und gleichzeitig einen Schimmer von Hoffnung. Es war das erste Mal, daß er direkt auf seine Krankheit zu sprechen kam. Und in was für einer mutigen und lockeren Form er das tat. »Einer meiner abwesenden Tage.« Welche ruhige, rationale, intelligente und gesunde Art, die Sache zu beschreiben. Wenn er über seinen anderen Zustand mit diesem inneren Abstand sprechen konnte, dann mußte es besser werden. Ins Theater zu gehen, mit anderen Leuten zusammenzutreffen und vor allem, diese einmalige Musik zu hören, würde ihm sicher nur guttun. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte glücklich.
»Ja, Daddy«, erklärte sie, »ich finde, das ist eine wunderbare Idee.«
In der Blackbird-Buchhandlung war, kurz gesagt, kein einziger Kunde. Avery saß an seinem schönen escritoire neben der Tür. Der Laden umfaßte zwei Ebenen, die durch eine steinerne Wendeltreppe miteinander verbunden wurden, deren Stufen schon reichlich abgewetzt waren. Über der Treppe hing ein konvexer Spiegel, der die verborgenen Winkel zeigte, damit Avery einen umfassenden Überblick hatte. Dennoch schafften es, vor allem in dem Rummel vor Weihnachten, immer wieder Leute, Bücher aus den Regalen zu klauen. Avery stand auf und beschloß, einige der Ausgaben wegzustellen, die jene Kunden, die sich nur mal hatten Umsehen wollen, unordentlich auf den beiden runden Tischen liegengelassen hatten. Der Warenbestand des Blackbird war nach allgemeinen Stichworten geordnet, und gelegentlich stellten die Kunden die Bücher selbst wieder zurück, oft mit treffenden Ergebnissen. Mit einem lauten »Na, na« zog er Tod in Hollywood aus dem Romantikregal und Zimmer mit Aussicht aus dem Regal für Innendekorationen.
»Sieh dir das mal an«, rief er einen Moment später Tim zu, der etwas auf dem Gasbrenner in dem Kabuff im hinteren Teil des Ladens umrührte. »Ein ab getrennter Kopf steht unter Kampfsport.«
»Ich bin nicht sicher, ob Kampfsport eine völlig unangemessene Bezeichnung für Murdoch ist«, entgegnete Tim und führte seinen Löffel an die Lippen.
»Ich weiß nicht, wieso du in dieser affektierten Weise rührst und probierst«, schrie Avery und kam in das Kabuff. »Wir wissen doch alle, auf welche geschickte Art Mr. Heinz mit Tomaten umgeht.«
»Du hast gesagt, ich könnte zu Mittag essen, was ich will.«
»Da muß ich wohl verrückt gewesen sein. Ein Lorbeerblatt würde zumindest einen Hauch von Geschmack hinzufügen.«
»Also gut, also gut.«
»Oder etwas Joghurt.«
»Mach doch kein Essen daraus.«
»Keine Gefahr, Entchen.« Beide mußten lachen. »Was ist auf dem Brötchen?«
»Brunnenkresse und Bresse bleu. Und da sind auch ein paar Walnüsse. Du kannst den Chablis aufmachen, wenn du willst.«
»Welchen?« Avery begann, Weinflaschen aus dem Weinregal unter der Spüle hervorzuholen.
»Den Grossot. Und ruf Nico.«
»Arbeitet der denn nicht?« Avery öffnete die Flasche und schob dann den dicken Chenillevorhang zur Seite und brüllte die Treppe hinauf.
»Er hat gesagt, er könnte sich so kurz vor der Premiere nicht konzentrieren.«
»All diese leeren Regale. Großbritanniens Hausfrauen sind sicher ganz aus dem Häuschen. Nico...«
»Wem hast du vorhin eigentlich zugewunken?«
»Wem?« Avery stutzte. »Ach ja. Der armen alten Dierdre und ihrem Papa.«
»Gott, was für ein Leben. Versprichst du, mich zu erschießen, wenn ich mal so werde?«
Diese beiläufige Erwähnung, daß sie noch zusammen sein würden, wenn Tim alt und grau war, erfüllte Avery mit einer schwindelerregenden Freude, und er holte tief
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