Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Denis ein. Er roch daran und gab einen verwunderten Laut von sich, als er einige Korkstücke aus dem Wein zog.
»Ich hatte sie doch zurückgelegt.«
»Zurücklegen und flachlegen, das ist anscheinend alles, was du im Kopf hast.«
»Wenn du dich schon vollaufen lassen wolltest, wieso hast du dann nicht den Däo getrunken? Wir haben ein halbes Dutzend Flaschen davon in der Vorratskammer.«
»O ja, der Däo! Jeder Dreck ist für mich ja auch gerade gut genug, nicht wahr? Ich habe nicht deinen exquisiten Gaumen. Deinen gefeierten je ne sais quoi.«
»Sei nicht albern.« Tim trank gedankenversunken einen Schluck. »Wunderbar fruchtig. Viel Charakter. Aber kein ganz so großer Wein, wie ich es erwartet hatte.«
»Verdammt hochnäsig, das muß ich schon sagen.«
»Ich bin müde.« Tim zog den Schal und den Mantel aus. »Ich gehe ins Bett.«
»Du wirst jetzt ganz bestimmt nicht ins Bett gehen. Du wirst mein Haus verlassen. Und zwar sofort!«
»Ich werde zu dieser späten Stunde nirgendwo hingehen, Avery.« Tim hängte seinen Mantel auf. »Wir werden morgen darüber reden, wenn du wieder nüchtern bist.«
»Wir werden jetzt reden!« Avery sprang vom Tisch auf und stolperte durch den Korridor, wo er sich vor der Treppe aufbaute und den Weg nach oben versperrte. Daraufhin machte Tim kehrt, ging in die Küche und begann, die Kaffeemaschine zu füllen. Avery folgte ihm und brüllte: »Was machst du da? Rühr meine Sachen nicht an!«
»Wenn ich schon aufbleiben muß, dann brauche ich einen starken Kaffee. Und so wie es aussieht, würde dir das auch guttun.«
»Was hast du denn erwartet? Daß du nach Hause kommst und mich verständnisvoll, freundlich und sachlich vorfindest? Vielleicht noch alles schön aufgeräumt nach dem letzten Essen? Deine dreißig Teile Tafelsilber schon herausgelegt?«
»Wieso benimmst du dich eigentlich so melodramatisch?« Tim löffelte den Costa Rica in die Maschine. »Komm schon, setz dich hin, bevor du umfällst.«
»Das würde dir so passen, nicht wahr? Dir würde es gefallen, wenn ich jetzt umfiele, mir den Kopf aufschlüge und sterben würde. Dann würdest du den Laden und das Haus erben, und du könntest endlich diese verdammte kleine Schlampe mit ins Haus bringen. Nun, das kannst du dir abschminken, ich werde morgen als erstes zum Anwalt gehen und mein Testament ändern.«
»Morgen kannst du machen, was du willst. Aber jetzt solltest du dich darauf konzentrieren, deinen Hintern irgendwo zu parken und den Kaffee runterzuwürgen.«
Avery wartete einen Moment und blieb erst einmal trotzig stehen, um deutlich klarzustellen, daß jede Bewegung, die er ausführen würde, absolut seine eigene Entscheidung wäre, dann begab er sich auf verschlungenen Wegen durch seine Küche und zog einen Hocker in Betracht. Er schwankte zwar wie ein Schiffsmast bei Orkanböen, aber er schaffte es schließlich, sich auf den Hocker zu setzen und dort den Halt zu bewahren.
Der kräftige, vertraute Geruch des Kaffees drang in seine Nase und rief ihm auf grausame Weise die vielen glücklichen Tage ins Gedächtnis zurück, an denen sie nach dem Essen Vertraulichkeiten und Klatsch miteinander ausgetauscht hatten. Das war nun alles vorbei. Alles ruiniert. Er und Tim würden nie wieder glücklich miteinander sein. Averys Augen füllten sich mit Tränen, als ihm das Schreckliche der Situation erneut bewußt wurde, und ein Pfeil bohrte sich schmerzhaft mitten durch den betäubenden Dunst des Alkohols. Es war so, als würde eine Nadel in sein Herz gesteckt.
Als Tim ihm den Kaffee hinstellte und Averys schlaffe, willenlose Finger um die Tasse legte, war es eben diese Geste der Besorgnis, die Averys Zorn das Rückgrat brach und einem großen Tränenfluß den Weg freiräumte. Und mit den Tränen kam auch das überwältigende Bedürfnis nach Nähe und Trost. Er schluchzte: »Ich habe dir vertraut...«
Tim seufzte, stellte die Tasse ab, zog einen zweiten Stuhl heran und setzte sich neben Avery. »Hör mal zu, Liebster«, sagte er, »wenn wir schon zu dieser schrecklich späten Stunde offen und ehrlich miteinander sprechen wollen, dann bitte nicht unter einer falschen Vorgabe. Du hast mir nie vertraut. Seit wir Zusammenleben, weiß ich jedesmal, wenn ich irgendwohin gehe, daß du nichts anderes zu tun hast, als dir Sorgen zu machen und Angst davor zu haben, daß ich einen anderen treffen könnte. Oder daß ich bereits einen anderen kennengelernt
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