Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Schocks zum Preis von einem erhalten?«
»Ja, wie sich herausgestellt hat.«
»Welch ein Zufall.«
»Zufälle passieren doch laufend.«
Aber nicht diesmal, dachte Barnaby. Er wußte auch nicht, woher seine Gewißheit kam, aber sie war da. Irgendwo in den hintersten Winkeln seines Hirns, in denen Nebelschwaden trieben, hörte er so leise, daß es nur schwer wahrzunehmen war, eine warnende Rassel. Dieser Mann, der Esslyn Carmichael unmöglich getötet haben konnte, wußte etwas. Aber er hielt Barnabys Blicken stand und sah ihm fest, fast schon einschüchternd in die Augen. Er dachte gar nicht daran wegzusehen.
»Vermutlich ist Ihnen nicht klar«, sagte Barnaby, »daß Harold das neue Lichtkonzept als seine eigene Idee ausgibt.«
»Ha!« Tim lachte schroff. Sein Gesicht rötete sich. »Also, das ...« Sein Lachen überschlug sich. »Also, das war alles was wir tun mußten, einfach nur >Ja, Harold< sagen. Und dann unser eigenes Ding durchziehen. Genau wie Esslyn.«
»So scheint es jedenfalls.«
»Die ganzen Jahre.« Er lachte immer noch in dieser rauhen, gereizten Art, als der Chefinspektor ihn einige Minuten später gehen ließ.
Barnaby konnte keinen Grund erkennen, wieso er Tim dabehalten oder ihn unter Druck setzen sollte. Tim gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die man mit allgemein gehaltenen spaßhaften Drohungen und Aufmunterungen kleinkriegen konnte. Aber Barnaby wußte jetzt, wo sein Druckpunkt lag, und konnte, falls es nötig werden sollte, die Hebelwirkung dort ansetzen. Er wandte sich an seinen Sergeant.
»Was meinen Sie, Troy?«
»Der Mann hat Angst, Sir«, antwortete Troy rasch. »Es war alles in Ordnung, bis Sie auf das Licht zu sprechen kamen. Dann ist er in sich selbst zusammengeschrumpft wie der Schwanz und die Eier in Eiswasser. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er der Mörder ist, aber er weiß etwas.«
»Ich glaube, Sie haben recht.«
»Wie wäre es, wenn wir uns mal mit seinem Freund unterhalten würden?« Troy ließ seine Handgelenke in einer gezierten Geste schlaff herunterhängen, »dem kleinen Pummelchen. Und zwar ganz allein.« Er zwinkerte seinem Chef zu. »Es wird nicht lange dauern, bis er zusammenfällt.« Sein Zwinkern wurde mit einem Blick beantwortet, der so eisig war, daß er selbst beinahe zusammengefallen wäre.
»Morgen früh werde ich mich zunächst einmal in Carmichaels Büro umsehen. Und seinen Rechtsanwalt treffen. Hängen Sie sich ans Telefon, und machen Sie die Termine klar.«
Nicholas war kurz nach Tim gegangen. Er hatte sich bei Avery für das Essen bedankt und stellte dann auf der Treppe mit absoluter Klarheit in der Stimme richtig: »Ich bin nicht so betrunken, wie du glaubst.«
Jetzt saß Avery allein da. Er hatte den Tignanello ausgetrunken, ihn sich zuerst unter Schock eingeschenkt und ausgetrunken, eingeschenkt und ausgetrunken, dann aber in bitterer Einsamkeit und Verzweiflung. Als die Flasche leer war, hatte er in seinem verwirrten Zustand aggressiven Elends, vermischt mit unklaren Vorstellungen von Vergeltung, den Clos St. Denis, Grand Cru, entkorkt, von dem er wußte, daß Tim ihn extra für seinen Geburtstag zurückgelegt hatte. Er rang erst wild mit dem Korken, brach dann Teile davon ab und verschüttete dabei den Wein.
Die Kerzen flackerten in ihren mexikanischen Silberrosen-haltern, und Avery blies sie aus. Aber selbst im Dunkeln steckte das Zimmer noch voller Erinnerungen an Tim. Er schreckte vor dem Wort Erinnerung zurück und schalt sich selbst dafür, daß er so melodramatisch war. Denn schließlich würde Tim zurückkommen. Aber kaum hatte er sich das gesagt - was ihm ja eigentlich ein Trost hätte sein sollen -, da wurde der Gedanke auch schon von hundert anderen überschwemmt, die alle vor glühendem Selbstmitleid trieften. O ja, sagte sich Avery mit einem kläglichen Hohngelächter, es bestand kein Zweifel daran, daß er zurückkommen würde. Jemanden wie mich findet er auf die Schnelle garantiert nicht wieder. Wer sonst würde für ihn kochen und bügeln, das Haus sauberhalten, für ihn sorgen und nicht mehr dafür verlangen als ab und zu ein freundliches Wort? Und selbst das so beiläufig in eine Unterhaltung eingeworfen, als wäre es ein Knochen für einen räudigen Köter. Wer außer mir hätte einen Buchladen gekauft und die Hälfte davon verschenkt - ja, verschenkt, wetterte Avery. Mit wessen Geld ist das Haus möbliert worden? Und wer hat für die Urlaube
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