Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
Probleme haben... Kompromisse schließen... der siebte Himmel ist doch etwas für zurückgebliebene Pubertierende.« Tim schwieg eine Weile. »Ich habe dir nie das Paradies auf Erden versprochen.«
»Tja«, meinte Avery mit einem Anflug seiner alten Strenge. »Und wenn ich schon kein Paradies auf Erden haben kann, dann soll ich mich auch noch mit all diesem Mist abfinden, was?« Und dann, als Tim sein verhangenes, nach innen gerichtetes Lächeln lächelte, schrie Avery plötzlich: »Es wäre alles in Ordnung, wenn ich dich nicht so sehr lieben würde!«
»Aber wenn du mich nicht so sehr lieben würdest, wieso sollte ich dann noch bei dir bleiben?«
Avery überlegte: War eine solche Bemerkung ein wirklicher Trost? Es schien zu bedeuten, daß das, was er zu bieten hatte (das Geschäft, das Haus, die pedantischen und liebevollen Sorgen, mit denen er sich durch seine täglichen Aufgaben schleppte), nicht der Grund war, weshalb Tim blieb. Also, dachte Avery ängstlich, was habe ich denn sonst noch zu bieten? Er bewegte den Gedanken in seinem Kopf. Es schien ihm, als hätte diese Frage irgendwo einen Haken, und das sagte er auch.
»Alles hat einen Haken.« Tim ging ins Wohnzimmer zurück, um die Scherben der chinesischen Schale zu holen. »Ich muß morgen etwas besorgen, womit ich sie wieder zusammensetzen kann.«
»Ja, ja, setze sie nur zusammen.« Avery spürte, wie seine angeduselte Traurigkeit von einer flackernden Wärme berührt wurde. Vielleicht würde Tim doch nicht seine Tasche packen. Vielleicht könnten sie am Morgen das Geschäft öffnen und Bücher bestellen, sie ordnen und sich vorsichtig, wie zwei wandelnde Wunden, wieder näherkommen. Tim kam zurück und legte die bemalten Scherben auf den Küchentisch.
»Tut mir leid um den Teller.«
»Nein. Nein. Das habe ich mir schon immer gewünscht«, sagte Tim höflich. »Eine echte Uhu-Atmosphäre.«
»... erinnerst du dich noch an Cornwall?«
»Bis an mein Lebensende. Ich habe geglaubt, ich kriege dich nie wieder von diesem Fischer aus Redruth fort.«
»Oh...« Avery wandte seinem Liebhaber ein schuldbewußtes Gesicht zu. »Das hatte ich ja ganz vergessen.«
»Ich aber nicht. Allerdings... wie du siehst... ich bin immer noch da.«
»Ja. Meinst du« - Avery streckte die Hand aus -, »daß wir jemals wieder glücklich werden?«
»Hör bitte auf, in einer mystischen Zukunft zu leben. Du kannst das Glück nicht erfinden. Es ist nur ein Nebenprodukt des alltäglichen Trotts.«
»Aber wir waren doch glücklich, Tim, nicht wahr?«
»Wir sind glücklich, du alter Miesmacher. Das Beste wäre, wenn wir jetzt nicht mehr weiterreden würden. Ich bin nämlich hundemüde.«
Tim ging nach oben, während Avery seinen Kaffee austrank.
Avery fühlte sich wie ein Sandsack, den man gerade bearbeitet hat und dann endlich in Ruhe läßt. Er zitterte immer noch bei der Erinnerung an das Gewesene, und er hatte Beulen. Dann lichtete sich, weil der erste Schrecken vorüber und Tim zurückgekommen war und auch bleiben würde, die geballte Niedergeschlagenheit, die Averys Angst verdrängt hatte, und eine Wolke, die nicht größer war als die Lüge eines Mannes, kehrte zurück.
Tims Bemerkung, die er zuerst geleugnet und dann mit einem Achselzucken abgetan hatte, erschien plötzlich in einem bedrohlichen Licht. Denn es kam Avery ganz so vor, als spielte dieses »Wir werden jetzt erst recht gehen müssen« auf ein Geheimnis an, das ihm verborgen war. Dahinter schien zu stecken, daß Avery und Tim trotz ihres Alleingangs mit der Beleuchtung im Latimer hätten bleiben können, wenn Esslyn nicht getötet worden wäre. Und jetzt kam als Zugabe zu Averys Befürchtungen auch noch die Information ans Licht, daß Tim der Liebhaber von Kitty gewesen war. Und es war Tim, der das Rasiermesser besorgt hatte. War er wirklich in der Pause auf die Toilette gegangen? Und wieso war er nach unten gegangen, wo es doch im Vereinsraum zwei Toiletten gab?
Tim rief: »Was ist denn los? Nun komm schon...«
Und zum allerersten Mal, seit sie sich kannten, stand Avery, obwohl das gewohnte Prickeln der Lust in seinem Fleisch nicht ausblieb, nicht auf und eilte dem Quell seines Entzückens entgegen. Er blieb in seiner unordentlichen Küche sitzen, und ihm wurde kälter und immer kälter. Und er fürchtete sich zunehmend mehr.
Es war der folgende Tag, und Harold hatte einen seiner seltenen mittäglichen Auftritte am
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