Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
hätten sein können. »Ich kann mir denken, daß du ein unartiger Junge sein willst, stimmt’s, Süßer ?«
»Eigentlich nicht«, sagte Barnaby, löste sich aus ihrem Griff und zog seine Dienstmarke aus der Tasche.
»Menschenskind! Was, zum Teufel, wollen Sie? Wir sind alle legal hier.«
»Da bin ich sicher.« Er zeigte ihr Lessiters Paßfoto. »Kennen Sie diesen Mann?«
Ein flüchtiger Blick. »Klar, das ist Mr. Lovejoy.«
»War er am letzten Freitag nachmittag hier? Am Siebzehnten?«
»Verdammt, er wohnt praktisch hier, Mann.«
»Ich muß es genau wissen.«
»Dann sollten Sie lieber mit Krystal sprechen.«
»Würden Sie sie bitten herzukommen?«
»Sie kommt überall hin, wenn der Preis stimmt - so eine ist das.« Sie versetzte ihm einen leichten Stoß in die Seite. »Sie sehen aus wie ein Kerl, der was in der Brieftasche hat. Warum kommen Sie nicht zurück, wenn Sie Dienstschluß haben? Ein Weilchen richtig entspannen. Sich selbst verwöhnen lassen.« Sie starrte ihn an und wartete auf eine Zusage, dann meinte sie: »Na gut - dann geht’s Ihnen eben weiter schlecht. Krystal ist bei der Vorführung. Es dauert noch zehn Minuten. Zweite Tür rechts.«
Barnaby hob den Samtvorhang und fand sich in einem kalten, gefliesten Korridor wieder. Auf beiden Seiten befanden sich Türen. Er öffnete die zweite rechts und stand wieder vor einem verstaubten Vorhang. Er schob ihn zur Seite und tastete sich unnötig vorsichtig weiter. Nicht ein Mensch drehte sich nach ihm um. Sie verfolgten alle die Vorgänge auf der Bühne.
Auf einem ausgeleuchteten Podest stand ein gutausgestattetes Mädchen und stellte nach Manier der Commedia dell’arte Entsetzen zur Schau: weitaufgerissene Augen, die gespreizten Hände ausgestreckt, um die Gefahr abzuwenden, und halb abgewandt, als wollte sie die Flucht ergreifen. Sie trug eine Schuluniform: Faltenrock, weiße Bluse und Blazer. Ein Hut mit gestreiftem Band saß waghalsig auf ihrem Kopf. Sie hatte taillenlanges, blondes Haar. Ein junger Mann in hautenger Hose, einer Samtjacke und passender Baskenmütze stand vor einer Staffelei und tat so, als würde er malen. Eine schroffe männliche Stimme, untermalt von militärischen Trommelwirbeln und Marschmusik, plärrte aus zwei Lautsprechern.
»Und so wurde die liebreizende Brigitte, die verzweifelt versuchte, Geld zusammenzubringen, um ihrem sterbenden Vater Medizin kaufen zu können, von dem berüchtigten Maler Fouquet beschwatzt, die Klosterschule zu verlassen und in seinem Atelier zu posieren. Trotz seiner inbrünstigen Beteuerungen, daß alles ganz züchtig sei, erklärte der ruchlose Fouquet, sobald er sie in sein Atelier gelockt hatte, daß er ihr nur Geld geben würde, wenn sie sich splitterfasernackt auszog.«
Plötzlich erinnerte sich der junge Mann ziemlich anschaulich daran, was er der liebreizenden Brigitte antun wollte. Sie weinte, heulte und rang die Hände, dann zog sie sich mit rührend bebenden Händen aus. Erst den Blazer, dann die weiße Bluse, die von ihren Formen fast gesprengt wurde, und das kurze Faltenröckchen. Sie verschränkte verschämt die Arme über ihrem außergewöhnlich üppigen Busen.
Die Stimme krächzte weiter aus den Lautsprechern. »>Wenn du das Leben deines geliebten Vaters retten willst, weißt du, was du zu tun hast<, schrie der teuflische Fouquet.«
Schluchzend zog das Mädchen die Schnürschuhe, die Kniestrümpfe und den Büstenhalter aus. Der teuflische Fouquet wollte ihr in nichts nachstehen und riß sich die Samtjacke vom Leib. Eine unbehaarte, braungebrannte Brust kam zum Vorschein. Brigitte trug nur noch einen aufreizenden Slip, den jede Mutter Oberin, die etwas auf sich hält, sofort mit einer Zange ergriffen und den Flammen übergeben hätte.
»Als der lüsterne Künstler den Versuch unternahm, die anmutige Jungfrau in Positur zu setzen, wurde er von einer Welle der Begierde übermannt.«
Was für eine Überraschung, dachte Barnaby gähnend. Er schlüpfte wieder durch den Vorhang und wartete auf dem kalten Flur. Die langweiligen Posen auf der Bühne öffneten ihm den Blick auf sein eigenes häusliches Leben und die reinen, süßen Umarmungen mit Joyce. Auf den Bakewell Surprise, der scheußlich schmeckte. Auf seine Tochter, die sich herrichtete wie eine an den Strand gespülte Schiffbrüchige und keineswegs geizig war mit bissigen Bemerkungen. Er verglich sie im Geist mit Doktor Lessiters spezieller Freundin und
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