Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
Riege hochrangiger Gesetzeshüter, Heerscharen von Spitzenjournalisten und Fotografen, Anfragen im Unterhaus, ... Barnaby empfand tiefe Dankbarkeit, daß Gott ihn vor einem gravierenden Fehler bewahrt hatte.
Mit einer grauen Plastiktüte in der rechten Armbeuge kam Troy ins Zimmer. »Hab hier die Sachen von unserem Ober-Guru, Chef.« In seinen Worten schwang ein Anflug neugieriger Vorfreude mit. Seine Augen glänzten aufgeregt. Mit langsamen theatralischen Handbewegungen zog er Sandalen, ein blutverschmiertes Gewand und eine Baumwollunterhose hervor, hielt inne und warf Barnaby einen gespannten und erwartungsvollen Blick zu.
»Sollten Sie auf einen Trommelwirbel warten, können Sie warten, bis Sie schwarz werden. Jetzt mal raus damit.«
Troy griff erneut in die Tüte und zog ein Bündel strahlendweißer Haare hervor. Barnaby streckte die Hand danach aus. Die Perücke war erstklassig gearbeitet. Auf ein Netz geknüpftes Echthaar.
»Sehr hübsch. Und teuer.«
»Stimmt einen nachdenklich, nicht wahr, Chief?«
»Ja, in der Tat.«
Barnabys Herz schlug schneller. Zum ersten Mal gab der Tote etwas über sich selbst preis. Bisher hatten alle Informationen aus zweiter Hand gestammt. Erinnerungen, Gedanken, Einschätzungen von Dritten. Das hier war eine Offenbarung aus dem Grab. Ein echter Hinweis. Barnaby legte dieses exquisite Requisit der Schauspielerzunft beiseite und sagte: »Ich frage mich, wieviel Leute wußten, daß er sie trug.«
»Keiner, möchte ich wetten«, vermutete Troy. »Ich denke, die Perücke untermauert Gamelins Theorie. Das ist doch eindeutig ein Hilfsmittel, das Gauner einsetzen.«
Ein nicht unvernünftiger Einwand. Eigentlich ziemlich verführerisch. Wieso griff ein wahrer Gläubiger, fragte sich Barnaby, auf solch trickreiches Zubehör zurück? Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, mußte er an die üppigen Gewänder der Priester und Prälaten orthodoxer Religionen denken. Im Vergleich dazu kam ihm eine Perücke fast bescheiden vor.
Craigie hatte also künstliche Hilfsmittel eingesetzt, um ein Bild von sich zu entwerfen, das seinen Gefolgsleuten Sicherheit vermittelte. Das hieß allerdings noch längst nicht, daß seine Lehren oder seine Person falsch waren oder ihm ein Täuschungsmanöver nachzuweisen war. Dennoch...
Gamelins Meinung war eindeutig gewesen. War er - was durchaus verständlich gewesen wäre - nur wegen des Treuhandfonds zu dieser Einschätzung gelangt? Oder hatte, wie Troy vermutete, ein Betrüger einen Gleichgesinnten erkannt? Es schadete nicht, in diese Richtung zu ermitteln, wenngleich es immer ein schwieriges Unterfangen war, einen Betrüger festzunageln. Erstens hielten sie sich nie länger an einem Ort auf und verfügten über so viele Namen wie Überseekonten. Zweitens wurden die wirklich Gerissenen nie gefaßt und waren daher auch nicht im Computer zu finden. Trotzdem -ein Versuch schadete nicht.
»Ich habe auch so eine Idee zu dem Handschuh, Chief«, sagte Troy. »Kam mir, als ich mich mit Maureen beim Frühstück unterhielt.« Bei der Erinnerung an die erste Mahlzeit bekam seine Stimme einen leicht säuerlichen Unterton. Die Mahlzeit, die eigentlich dazu gedacht war, den Ernährer der Familie bis zum Mittagessen zu sättigen. Heute morgen hatte es Cornflakes und Tee gegeben, und der war nicht mal frisch aufgebrüht gewesen. Ein kleines Baby, und schon machte es zuviel Mühe, ein paar Eier in die Pfanne zu hauen, ein paar Speckstreifen in den Grill zu schieben, ein paar frische Champignons zu dünsten und ein paar Scheiben Brot in den Toaster zu werfen. Gezwungenermaßen hatte er in der Kantine einen Burger und Pommes runtergeschlungen. Seither warfen die Damen am Empfang ihm spöttische Blicke zu.
»Gibt es ein Problem, Chief?«
»Handschuh.«
»Ach ja. Sie war gerade beim Abwaschen und meckerte, daß die Gummidinger nie lang halten. Ich hörte nicht richtig zu - ähm, Sie tun das bestimmt auch nicht, oder? Aber ich hörte sie sagen: >Der linke geht immer zuerst kaputt.< Das setzte sich bei mir fest, denn unserer war doch für Linkshänder. Danach sagte sie: irgendwann hatte ich Unmengen von rechten Gummihandschuhen übrig, bis ich rausfand, daß man welche kaufen kann, die auf beide Hände passen.< Und da fragte ich mich, ob das nicht auch auf unseren zutrifft.«
»Könnte sein. Doch wer oder was sollte einen linkshändigen Mörder daran hindern, einen rechten Handschuh zu tragen? Oder umgekehrt,
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