Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
Fakten waren, egal wie brüchig alles war. Mittlerweile war diese Unsicherheit nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken.
Sie waren auf Windhorse sehr zufrieden und hatten sich schnell daran gewöhnt, unter einem festen Dach zu schlafen, sich mit warmem Wasser zu waschen, sich in beheizten Räumen aufzuhalten. Keiner von ihnen verspürte das Bedürfnis, das Hippiedasein wiederaufzunehmen, das sie noch so lebhaft in Erinnerung hatten. Sie entsannen sich, wie sie in undichten Wohnwägen, in dreckigen Bussen durchs Land gezogen waren. Wie sie von der Polizei aufgespürt und von ihr oder hartherzigen Landbesitzern, für die die Worte »füreinander sorgen und miteinander teilen« keinerlei Bedeutung hatten, nicht gerade freundlich vertrieben worden waren. Müde waren sie von einem verrauchten Zelt ins nächste gezogen, hatten sich um kaum wärmende Lagerfeuer geschart, umgeben von hungrigen Hunden und weinenden Kindern. Sie hatten Eis für die Teezubereitung gehackt, Ladendiebstähle begangen - was Ken ganz besonders verhaßt gewesen war - und nächtliche Gewaltausbrüche ertragen, wenn die ortsansässigen Barbaren ihnen lautstark auf die Pelle rückten. Einmal war Heather von ohrenbetäubenden Motorradgeräuschen aufgeschreckt worden und hatte entdecken müssen, daß brennende Stoffetzen auf ihrem Kopfkissen lagen.
In jenen Tagen hatten sie beide noch nichts von der Vielzahl ihrer hellseherischen Fähigkeiten gewußt. Hier auf Manor House war Ken als Channeller als einer der fähigsten Köpfe, den die Welt je gesehen hatte, anerkannt, und Heather wurde als Venusreisende betrachtet, die von dort mit überragenden Heilkräften zurückgekehrt war.
Vor allem wegen ihrer Arbeit waren sie darauf bedacht, auch weiterhin auf Windhorse zu leben. Das Haus war ein Hafen, in den die Geplagten und spirituell Durstigen einlaufen konnten und Unterstützung fanden. Sollte sich herausstellen, daß dieses Anwesen einem Fremden, oder - schlimmer noch - der Regierung in die Hände fiel, wohin würden diese armen Seelen dann gehen? Und - wo sie schon darüber nachdachten - wohin sollten Heather und Ken gehen? Besitz war selbstverständlich Diebstahl, aber selbst wenn dem nicht so wäre, sie verfügten nicht über Ersparnisse, um ein Haus zu kaufen. Da sie kinderlos waren, hatten sie kein Anrecht auf eine Sozialwohnung. Ken hatte nicht nur ein kaputtes Bein, sondern litt auch noch unter zu geringer Spermadichte.
Selbst alltägliche Ausgaben konnten sich in Zukunft als problematisch erweisen. Das Sozialamt hatte sich bei ihrer ersten Antragstellung auf Unterstützung, die sie vor einem Jahr eingereicht hatten, als ungeheuer phantasielos erwiesen. Vergeblich hatte sich Heather darum bemüht, die Bedeutung ihrer Arbeit deutlich zu machen: ein liebevolles Lächeln hier in Ux-bridge wärmt ein Herz in Katmandu. Und schließlich sparte die staatliche Krankenkasse viele tausend Pfund im Jahr durch ihre Heilungen. Das Amt war in Kens Fall genauso kurzsichtig gewesen und hatte bei seinem Antrag auf eine Schwerbeschädigtenrente immer wieder auf konventionelle medizinische Gutachten wie Röntgenbilder gepocht.
»Soweit wird es noch kommen«, hatte Ken sich zur Wehr gesetzt, »daß ich meinen Körper einer solchen Maschine und ihren krebserregenden Strahlen aussetze.«
Heather hatte ihm den Rücken gestärkt und gerufen: »Warum schicken Sie ihn nicht einfach nach Tschernobyl? Dann haben Sie Ihre Ruhe?«
Die gute alte Heather. Als Ken langsam die Tassen zum Spülbecken brachte und sie ausspülte, betrachtete er sie. Sie trug ein billiges weißes Baumwollsackkleid, unter dessen Stoff sich ihr in schwarzen Höschen steckendes Hinterteil deutlich abzeichnete. Da sie den Kristall abgelegt hatte, wirkte ihre rosafarbene Stirn nackt, hoch und gewölbt und ließ sie unerhört intelligent erscheinen.
»Eigentlich interessiere ich mich ja nicht für derlei Dinge«, sagte Ken mit gesenkter Stimme, »das weißt du nur zu gut. Trotzdem frage ich mich, ob Suhami, jetzt wo der Meister weg ist, noch gewillt ist, ihr Geld der Lodge zu vermachen.«
»Ach, das hoffe ich!« rief Heather. »Selbst wenn es einem persönlich gelingt, sich nicht korrumpieren zu lassen, stellt unverdienter Reichtum immer noch die größte Barriere bei dem Bestreben dar, eine harmonische Seelenlage zu erlangen.«
»Richtig.« Ken streckte die Hand nach dem Brotkorb aus. »Ist noch Marmelade da?«
»Ich habe sie gerade weggeräumt.« Sie trat
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