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Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Titel: Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Ian Craigie.
      Gestern nacht hatte Guy vor Aufregung und Neugier keinen Schlaf gefunden, sich jeden Satz des kurzen Briefes immer wieder durch den Kopf gehen lassen, versucht, Trost daraus zu ziehen. Das »uns« beruhigte ihn sehr. Es klang nicht danach, als ob Ian Craigie jener »unglaubliche« Mann wäre, den Sylvie in London kennengelernt hatte. Das Wort implizierte, daß es möglicherweise eine Ehefrau, vielleicht gar eine Familie gab. Und »Ihre Tochter« hatte etwas angenehm Formelles, Gediegenes an sich.
      Felicity erzählte er nichts von der Einladung. Sie mochte Sylvie nicht und hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihre Erleichterung, als das Kind von daheim fortgelaufen war, und ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohlergehen ihrer Tochter zu verbergen. Nicht ein einziges Mal hatte sie ihren Namen ausgesprochen. Aufgrund ihres Verhaltens war es undenkbar, daß sie ihn begleitete. Guy beschloß zu sagen, daß sie krank war. Das schien ihm die einfachste Lösung zu sein. Und wem schadete es schon?
     
    Danton Morel war eines der bestgehüteten Geheimnisse in London. Keiner, der seine Dienste in Anspruch nahm, erzählte das je weiter, eifersüchtig bestrebt, die Vorteile seiner Behandlungen exklusiv genießen zu dürfen. Nichtsdestotrotz war immer wenigstens ein Beispiel seiner Magie anwesend und verschlug den anderen den Atem, wenn sich die Reichen und Berühmten, die Berüchtigten und Glamourösen irgendwo ein Stelldichein gaben.
      Seine Visitenkarte beschrieb ihn angenehm bescheiden als Coiffeur et Visagiste, doch die unerhörten Transformationen, die seine Kunst bewirkte, gingen weit über jene banalen Schminktechniken hinaus, die in Modezeitschriften oder im Fernsehen gezeigt wurden. Auf magische Weise veränderte Danton nicht nur das Äußere, das Fleisch und die Haut, das Aussehen, sondern schuf eine deutlich und dramatisch veränderte Persönlichkeit.
      Einmal abgesehen von diesen märchenhaften Fähigkeiten, war Danton mit einer unglaublich wohlklingenden Sahne-und-Brandy-Stimme gesegnet. Und wenn er nicht sprach, signalisierte sein Schweigen Wärme, Ermunterung und Aufmerksamkeit, was dazu führte, daß die Menschen geneigt waren, ihm alles mögliche anzuvertrauen. Und Danton hörte zu, lächelte, nickte und fingerte derweil an ihnen herum.
      Vor zwanzig Jahren hatte er als Maskengestalter und Marionettenhersteller angefangen und befand heute mit einer Spur Ironie, er sei immer noch im selben Geschäft tätig, wenngleich seine Kundschaft zu Tode erschrecken würde, wüßte sie um seine Gedanken. Sein Privatleben war extrem unkompliziert. Er führte ein Leben aus zweiter Hand, labte sich an Informationen, destilliert aus verworrenen Gefühlsausbrüchen, Geständnissen, Vertraulichkeiten und Schilderungen sybaritischer Ereignisse, die beeindruckender als das wahre Leben waren und sein Herz in neidischer Aufregung entbrennen ließen. Weil er niemals tratschte, unterstellte ihm jeder Diskretion, und diskret war er in gewisser Weise auch. Freilich schrieb er alles nieder und führte nun seit zehn Jahren Tagebücher, von deren Veröffentlichung er sich eines Tages großen Reichtum erhoffte. Er pflückte gerade ein paar Lorbeerblätter, als Felicity die Tür öffnete. Die Haare standen ihr zu Berge, als ob sie daran gezogen hätte, und er hätte ein Fremder sein können, so leer war ihr Blick.
      Im oberen Stockwerk begann sie auf und ab zu gehen und zu lamentieren. Lange, aufwendig gebräunte Beine stachen wie dunkelbraune Scheren aus dem Hausmantel hervor, um gleich darauf wieder darunter zu verschwinden. Kaum hatte er das Haus betreten, drückte sie ihm den Brief in die Hand. Nachdem Danton ihn gelesen hatte, nahm er Platz und wartete.
      »Dieser Betrug, Danton... dieser Betrug... Meine eigene Tochter! Als ob ich sie nicht gern sehen würde...«
      Keuchend spuckte Felicity die Worte aus. Ihre Schultern zuckten, und sie strich beständig über ihre Arme, als würde sie von einem Schwarm Insekten angegriffen. Wieder sagte sie mit lauter, anklagender Stimme »Meine eigene Tochter!«, als trüge Danton die Schuld an den Vorgängen. Sein Eintreffen hatte sie in einem Anfall widerstreitender Gefühle herbeigesehnt. Zuerst war sie erstaunt gewesen über die Einladung, dann stinksauer, weil man sie nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Jetzt war ihr ganz mulmig, aber auch bewußt, daß sie - nachdem sie den Brief gefunden hatte - eine Entscheidung bezüglich des Inhalts treffen mußte. Dieses

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