Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
Skizze.
»Ja. Und polterte dann die Stufen hinunter.« Ihre Stimme bebte, und ihre Lippen zitterten angesichts dieser Erinnerung. »Sein Brustkorb hatte schon die himmlische Lanze empfangen.«
Langsam riß dem Chief Inspector der Geduldsfaden. Energisch griff er nach der ersten Plastiktüte und schob sie über den Tisch. »Ihre Lanze, Miss Cuttle. Kennen Sie sie?«
»Gott...« Sie hob die Tüte hoch. Die Blutspuren waren zu einem rostigen Orange oxydiert. »Das ist doch eins der Messer aus unserer Küche.« Sie legte die Tüte auf den Tisch. »Wie kann...?« Einen Augenblick starrte sie ihn mit großen Augen und mit in Falten gelegter Stirn an, ehe sie schlagartig klarzusehen schien.
»Natürlich.« Die undurchdringliche Selbstsicherheit kehrte zurück. »Wir hier sind die noch nicht Erwachten, Inspector. Wir bemühen uns, wir beten, wir ringen um Perfektion, aber das ist eine langwierige und aufwendige Aufgabe. Anscheinend war bisher keiner von uns bereit für die Offenbarung göttlicher Weisheit. Und da die Götter das wissen, haben sie in ihrem unermeßlichen Großmut ihre geheimnisvolle, subtile Waffe in einen ganz durchschnittlichen und gewöhnlichen Haushaltsgegenstand verwandelt. Ich hege keinen Zweifel, daß Sie einen karmischen Fingerabdruck finden werden.«
Troy kicherte höhnisch. Barnaby, der den Eindruck hatte, daß es dieser Analyse ein wenig an Exaktheit mangelte, legte den zweiten Beutel auf den Tisch. »Und das da ist wohl ebenfalls aus der Küche?«
»Ja. Janet trägt sie. Sie hat einen leichten Hautausschlag, der besser wird, seit ich sie mit meiner Malven-Minze-Salbe behandele. Wieso haben Sie den?«
»Er wurde hinter einem Vorhang im Solar gefunden.«
»Wie seltsam. Man kann dort oben nicht abwaschen.«
Angesichts ihrer Überzeugung, ein mystischer Attentäter sei für den Tod verantwortlich, schien es wenig Sinn zu machen, Sie über den eindeutigen Zusammenhang aufzuklären. »Ist Ihnen aufgefallen, ob irgendwann irgend jemand zum Fenster gegangen ist?« May schüttelte den Kopf. »Diese Rückführungen - verlaufen die öfter so dramatisch?«
»Das variiert. Einmal bin ich dem Schwarzen Tod erlegen und habe geschrien wie am Spieß. Die Woche darauf - eine wunderbare Zeit mit Heinrich VIII. Im voraus kann man das nie sagen.«
Gute Frage, fand Troy. Ziemlich hinterlistig. Denn falls jemand wußte, daß sozusagen eine Ablenkung bevorstand... Er stellte selbst eine Frage: »War jemand anwesend, der diese Prozedur nicht kannte?«
»Ja, in der Tat. Mr. und Mrs. Gamelin sind uns fremd.« (Gamelin, dachte Barnaby. Sieh an, sieh an.) »Sie sind wegen des Geburtstags ihrer Tochter gekommen. Armes Kind.«
Ihr Akzent ging Troy gehörig gegen den Strich. Wohlklingend. Wurde auf den britischen Pferderennplätzen gesprochen. Geboren, um andere für sich rumspringen zu lassen. Zumindest hielten sie das für ihr Privileg, was aufs selbe hin-auslief. Hatte man den richtigen Ton drauf, kam man mit allem durch, selbst wenn man durchgeknallt war. Bei Mord kam man allerdings nicht davon. Der Chief erkundigte sich nach der Hierarchie der Kommune und wer in Zukunft die Führungsrolle übernehmen würde.
»Wir sind hier alle gleichberechtigt, Inspector Barnaby, wenngleich man auch bei uns - wie in allen Gruppen - eine natürliche Hierarchie findet.« Barnaby nickte. Er fand, daß Menschen, die diese Erklärung anführten, sich nur selten auf die untere Stufe stellten. »Ich bin am längsten hier und denke, Sie könnten mich als Schatzkämmerer bezeichnen. Ich besorge alle Bestellungen. Angefangen von den Sojabohnen bis hin zu Calypsos Heu. Und ich kümmere mich um die Bankgeschäfte. Ich habe die Erlaubnis, Schecks auszustellen.« Sie fuhr fort, die anderen Mitglieder der Kommune gemäß ihres Eintreffens und der Länge ihres Aufenthalts aufzuführen.
»Und der Junge?« Barnaby nickte in Richtung Tür. Das Stöhnen war nun kaum noch zu hören.
»Tim? Oh - er ist... gefunden worden.« Mit einem Mal schien sie sich nicht mehr wohl in ihrer Haut zu fühlen. »Über die Einzelheiten weiß ich nicht Bescheid. Arno hat mir die Details nie erzählt. Er regte sich ziemlich auf, als ich ihn ein zweites Mal dazu befragte. Eines Tages brachten er und der Meister Tim einfach mit nach Hause. Wie er damit nur zurechtkommen soll... der arme Junge? Der Meister war sein Leben, seine Existenz. Ich habe Angst um ihn, wirklich.« Sie stand auf. »Falls das
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