Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
hatten offenbar noch Fragen, die sie vor den anderen nicht zu stellen gewagt hatten. Laura warf einen Blick auf die Reste des Büffets, konnte jedoch nichts entdecken, das ihr Appetit gemacht hätte. Außerdem war ihr leicht übel. Und aus Erfahrung wußte sie, daß sich das erst legen würde, wenn sie >Plover's Rest< verlassen hatte. Sie schnitt sich eine dünne Scheibe von Sues Karottenkuchen ab und wandte den Blick dann hastig von Rex' Pralinen, die so aussahen, als hätten sie Jahrzehnte in einer warmen Schublade vor sich hingeschmort.
Brian, der sich noch längst nicht geschlagen gab und nur auf eine günstige Gelegenheit lauerte, saß mit je einem gut gefüllten Teller auf den Knien in seinem Sessel und beschränkte sich aufs Zuhören. Hielt Max eine regelmäßige Arbeitszeit ein? (Von neun bis fünf.) Schrieb er viel? (Alles und immer.) Begann er mit dem Plot oder mit den Figuren? (Nicht zu trennen. Die Figuren sind der Plot.) Recherchierte er viel? (So wenig wie möglich. Er verließ sich meistens auf sein Urteil, was sich oft als falsch erwies.)
In diesem Augenblick kamen Gerald und Rex mit frischem Kaffee und heißer Milch aus der Küche. Tassen und Unterteller standen schon bereit. »Na, endlich!« rief Honoria, als seien die beiden säumige Kellner.
Amy stand auf, um Max Jennings eine Tasse Kaffee zu holen. Brian erkannte seine Chance. Er wechselte zu Amys Stuhl und begann von seiner Theater-AG in der Schule zu sprechen.
»... wir schreiben kein Stück vom grünen Tisch aus, sondern versuchen uns eines zu erarbeiten. Sowieso ist der Begriff eigentlich >outissimo<. Überholt. Um nicht zu sagen elitärer Unsinn.«
»Welcher Begriff?«
»Wie bitte?«
»>Erarbeiten<, >schreiben< oder >Stück«
»>Schreiben< natürlich.«
»Aha.«
»Wir arbeiten nach einem ganz lockeren, rein inspirativen Konzept. Es wird gerapt, improvisiert, frei assoziiert. Da sind schnelle, intelligente Reaktionen gefragt. Da muß man schon auf Zack sein, wenn man in meinen Proben bestehen will. Andernfalls ist man >out<. Einfach O.U.T. Out.«
»Klingt anspruchsvoll.«
»Je von Mike Leigh gehört?«
»Natürlich.«
»Was halten Sie von Naked?«
»Grausam, überheblich und rührselig.«
Brian stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Er starrte Max Jennings sprachlos an.
»Und außerdem viel zu lang.«
»Kaffee steht auf der Theke! Bedient euch!« rief Rex quer durch den Raum, und alle kamen seiner Aufforderung nach. Amy brachte Honoria Kaffee, die dem Gast gerade eine letzte Frage stellte.
»Was meinen Sie?« begann sie und beugte sich breitbeinig vor. »An welchen Verlag soll ich mich wenden, wenn meine Familienbiographie fertig ist? Welches ist der beste? Und es sollte unbedingt ein Haus mit großer Tradition sein.«
»Ich fürchte, dafür bin ich nicht der richtige Ansprechpartner, Miß Lyddiard. Meine Kontakte beschränken sich auf die Unterhaltungsliteratur.«
»Ach wirklich?« Honoria klang verblüfft und verärgert zugleich. »Wir dachten, Sie hätten einen etwas weiteren Horizont.« Sie betrachtete die letzten Krümel des Käsekräckers auf Max Jennings' Teller mit einem bohrenden Blick, der den Eindruck vermittelte, daß sich der Gast unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ein Abendessen erschlichen hätte.
»Hatte ich eigentlich auch angenommen«, warf Brian hastig ein. Er hatte die Nase gestrichen voll von diesen sogenannten Promis! Dieser aufgeblasene, selbstgefällige Windbeutel! Er leerte auch den zweiten Teller, indem er beide Florentiner gleichzeitig in den Mund schob, und sprang auf. »Sue!«
»Ja.«
»Komm! Wir gehen!«
»Aber ich habe doch erst...«
»Bitte, wie du meinst. Dann bleib, wenn du willst. Ich für meinen Teil...«
»Nein, nein.« Ihr Verbleiben hätte zu Hause nur ein Nachspiel gehabt, und das war die Sache einfach nicht wert. »Schon gut.« Sie stellte ihre noch volle Kaffeetasse ab.
Gerald brachte Sues Umlegetuch und Brians karierte Windjacke aus der Garderobe. Dann ging er zurück, um die Sachen der anderen zu holen. Damit war klar, daß er den Abend als beendet betrachtete.
Laura sah, daß sich der Gast ebenfalls in der Absicht zu gehen erhoben hatte. Wie schlecht es um Gerald bestellt war, erkannte sie daran, daß er, der Schriftführer des Autorenkreises, offenbar die Absicht hatte, Max Jennings ohne ein Wort des Dankes zu verabschieden. Laura
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