Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
drohte, stand Max plötzlich auf und verkündete, daß er jetzt wirklich gehen müsse.
»War wirklich ein sehr angenehmer Abend.«
»Nett, daß Sie gekommen sind.« Gerald schien die ihm entgegengestreckte Hand geflissentlich zu übersehen.
In der Diele versuchte Rex Geralds Blick aufzufangen, hoffte auf eine stumme Verständigung unter Verschwörern. Ein bedeutsamer Blick vielleicht? Hochgezogene Augenbrauen? Ein zufriedenes Nicken für den erwiesenen guten Dienst? Fehlanzeige. Gerald begleitete sie nicht einmal bis zur Tür, sondern blieb im hinteren Teil der Diele stehen, wo er selbstvergessen das Barometer an der Wand studierte. Er sagte nicht einmal >Gute Nacht<, geschweige denn >Danke<.
Rex öffnete die Tür und trat über die Schwelle. Max folgte, doch sagte dann plötzlich: »Meine Handschuhe!«, ging ins Haus zurück und machte Rex die Tür vor der Nase zu. Drinnen wurde ein Riegel vorgeschoben. In Bruchteilen einer Sekunde war exakt das eingetreten, was Rex um jeden Preis hatte verhindern sollen.
Eine halbe Stunde später befand Rex sich in seinem Schlafzimmer. An Schlaf war allerdings nicht zu denken. Der Schock hatte ihn wachgerüttelt. Aber von seinem Schlafzimmerfenster aus konnte man unter anderem die Hausfront und den Garten von >Plover's Rest< überblicken. Der silbergraue Mercedes parkte noch da. Der Wind hatte inzwischen aufgefrischt, und es regnete.
Nach dem heimtückischen Manöver, mit dem er von Max ausgetrickst worden war, hatte Rex noch etliche Minuten unschlüssig vor dem Haus gestanden und schließlich am Schlüsselloch gehorcht. Aber was hatte er denn zu hören erwartet? Die Geräusche eines Kampfes? Anzeichen dafür, daß Gerald den ungebetenen Gast gewaltsam aus dem Haus werfen würde? Doch drinnen blieb es mucksmäuschenstill. Nicht einmal Stimmengemurmel war zu hören.
Nach einer Weile war sich Rex reichlich dämlich vorgekommen. Eigentlich wollte er nix wie nach Hause. Aber was, wenn die da drinnen nur darauf warteten, daß er verschwand, um sich ungestört unterhalten zu können? Doch dann fiel ihm ein, daß jeder Passant sehen mußte, wie er vor dem Haus herumschlich. Was wäre nun, wenn jemand die Polizei rief? Diese mehr als beunruhigende Vorstellung und die Tatsache, daß er dringend auf die Toilette mußte, veranlaßten ihn schließlich, den Ort seiner Schmach zu verlassen und die Gartentür laut und vernehmlich hinter sich zuzuschlagen.
In seinem Schlafzimmer kamen ihm allerdings erneut Zweifel, ob er das Richtige getan hatte. Die Eindringlichkeit, mit der Gerald ihn um Hilfe gebeten hatte, wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf. Hatte sich dieser doch so verhalten, als ginge es um Leben und Tod. In Rex wuchs die Einsicht, daß er zu schnell aufgegeben hatte.
Jemand hatte von innen den Türriegel vorgeschoben, was mehr als verdächtig war. Rex zweifelte nicht daran, daß Max dahintersteckte. Alles war so schnell gegangen, daß Gerald gar nicht die Chance gehabt hatte, die Tür noch rechtzeitig zu erreichen. Er durfte dem nicht tatenlos zusehen.
Rex hatte es plötzlich sehr eilig, zu Geralds Haus zurückzukehren. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, einen Mantel anzuziehen, wählte jedoch aus seiner Sammlung schöner englischer Spazierstöcke ein Exemplar mit Silberknauf in der Form eines Büffelkopfes aus, setzte seine Schildmütze auf und befestigte sie mit einem Wollschal, den er unter dem Kinn zuband.
Die Gartentür zu >Plover's Rest< stand jetzt halb auf. Mutig schritt er den Gartenweg entlang. Er hatte vor, an die Haustür zu klopfen und um etwas Milch für einen Schlaftrunk zu bitten. Ein ziemlich durchsichtiges Manöver zugegeben, aber wenn es seinen Zweck erfüllte, sollte ihm das gleichgültig sein.
In der Küche brannte kein Licht mehr, aber die innere Küchentür stand auf, so daß Rex durch den Spalt einen Teil des Wohnzimmers und Max sehen konnte, der in einem Sessel saß. Er redete und gestikulierte freundlich und offenbar ohne jeden Groll. Dann fiel er in Schweigen. Seine Haltung änderte sich abrupt. Er schüttelte heftig den Kopf, beugte sich vor und hörte zu. Sein Profil verriet tief empfundenes Mitgefühl. Er wirkte - Rex suchte nach dem passenden Ausdruck - bewegt. Ja, das war es. Tief bewegt. Und bemüht wie ein Samariter.
Wenn er nur Gerald hätte sehen können! Rex verrenkte den Hals, preßte eine Wange gegen die Glasscheibe und versuchte, einen Blick auf Max Jennings' Gesprächspartner zu
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