Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Die Zusammenhänge sind mir unklar. Gewehre, Bomben, Raketen ... alles Männersache, finden Sie nicht? Einfach albern ... ausgenommen im wirklichen Leben, wenn sie Menschen aus Fleisch und Blut umbringen.«
»Haben Sie sich immer bei Hadleigh getroffen?« fragte Sergeant Troy.
»Ja. Lauras Haus ist winzig, bei Rex herrscht immer Chaos, Brian wollte die Leute nicht hier haben, und Honoria war es zuviel Arbeit. Amy meint sogar, sie sei nur zu geizig, um Kaffee und Gebäck zu spendieren ... Oh! Bitte verraten Sie mich nicht...«
»Keine Sorge, Mrs. Clapton«, beruhigte Troy sie mit einem Lächeln.
Sue erwiderte die Geste scheu. Sie nahm die verhaßte Brille ab und legte sie in den Schoß. Die Gläser waren so dick wie der Boden einer Milchflasche. Sue hatte immer von einem Film geträumt, den sie einmal gesehen hatte. Darin nahm der Held, nachdem er der Heldin das Haar gelöst hatte, ihr die Brille ab und sagte >Weißt du was? Mit Brille siehst du viel besser aus.<
»Soviel ich weiß, hatten Sie gestern einen Gast«, bemerkte Barnaby.
»Ja, ein seltenes Vergnügen. Sie glauben ja nicht, wie schwierig es ist, einen interessanten Schriftsteller herzulocken. Dabei sind wir nicht mal eine Stunde von der Londoner City entfernt.«
»Aber diesmal hatten Sie Glück?«
»Ja. Alle waren überrascht, als er angenommen hat. Und er war so nett. Überhaupt nicht arrogant. Hat uns alle möglichen Ratschläge und Tips gegeben. Und er hat uns tatsächlich zugehört, verstehen Sie?«
»Der Abend war also ein Erfolg?« Sie nickte heftig.
»Spannungen oder Streitereien hat es nicht gegeben?«
»Nein. Nur Gerald war so merkwürdig.« Bei der Erinnerung daran änderte sich ihr Ausdruck schlagartig. »Er hat kaum ein Wort gesprochen. Das war ungewöhnlich. Ich dachte, er würde massenweise Fragen stellen. Er wollte doch unbedingt Erfolg haben. Ständig hat er an seiner Prosa gefeilt.«
»War er denn gut?« wollte Troy wissen.
Sue zögerte. Die Konvention, von Toten nicht schlecht zu reden, widersprach ihrer angeborenen Ehrlichkeit. Die Wahrheit konnte niemandem schaden. Am wenigsten Gerald.
»Rein vom Zuhören klangen Geralds Geschichten ganz gut. Er hatte aus all seinen literarischen Ratgebern viel gelernt. Aber sobald er mit dem Vorlesen fertig war, konnte ich mich an keinen Satz mehr erinnern.« Nach diesem vernichtenden Urteil stand sie abrupt auf.
»Aber ich hätte Ihnen längst Tee anbieten müssen«, verkündete sie und zupfte an den regenbogenfarbenen Spitzen ihrer Weste.
»Das wäre wirklich sehr nett von Ihnen, Mrs. Clapton.« Barnabys sehnsüchtiger Wunsch nach Keksen wurde mehr als erhört. Eine ganze Keksdose machte die Runde, und er wurde mehrfach aufgefordert, sich zu bedienen.
»Warum stellen Sie eigentlich so viele Fragen über unseren Arbeitskreis?« erkundigte sich Sue und verteilte Kaffeebecher.
»Nur um eine Vorstellung von der ganzen Situation zu bekommen. Soviel ich gehört habe, ist Mr. Jennings überraschenderweise geblieben, als Sie gegangen sind?«
»Ja, richtig ... das war wirklich seltsam. Brian hat sich als erster verabschiedet. Woraufhin Gerald für alle die Mäntel geholt hat, so daß es aussah, als sei der Abend beendet. Doch dann, als wir anderen halb aus der Tür heraus waren, hat sich Max Jennings wieder häuslich niedergelassen.«
»War das ein abgekartetes Spiel? Was meinen Sie?« wollte Troy wissen.
»Glaube ich nicht. Hat sich vermutlich einfach so ergeben.«
»Einen weiten Heimweg hatten Sie ja nicht gerade, Mrs. Clapton«, bemerkte Barnaby. Sue Clapton schwieg, betrachtete ihn jedoch mit ängstlich prüfendem Blick. Wie eine Quizkandidatin in Erwartung der Fangfrage, dachte er. »Haben Sie das Haus danach noch einmal verlassen?«
»Nein.«
»Keiner von Ihnen?« Sie runzelte die Stirn und hielt die Hand vor die Augen, so als müsse sie nachdenken. Es war eine schnelle Geste, aber sie erfolgte nicht schnell genug. Barnaby sah einen Ausdruck in ihren Augen, der schwer zu deuten war. Erschrecken? Vielleicht sogar Angst?
»Dazu war es doch viel zu spät.«
»Vielleicht mußten Sie ja noch mal mit dem Hund raus«, bemerkte Troy und beugte sich vor. Ihm war nicht entgangen, daß sie nahe dran waren, fündig zu werden.
»Wir haben keinen Hund.«
Daraufhin erzählte Sue Clapton hastig und ein wenig zusammenhanglos, daß Brian sofort ins Bett gegangen sei, während sie noch
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