Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
Energie sammelte, wie vor einer bevorstehenden Auseinandersetzung. »Dann war es ein Unfall?«
»Wir stecken mitten in den Ermittlungen, Miss Lawson. Ich fürchte, ich kann Ihnen keine Einzelheiten nennen.«
»Natürlich. Ich verstehe.«
Barnaby beschloß, es dabei zu belassen. Zumindest vorläufig. Er würde ihr ein paar Tage Zeit geben, um sich zu erholen und sich dem beruhigenden Glauben hinzugeben, daß sie nie mehr von ihnen hören würde. Dann würde er sie auf die Wache holen lassen, um den wahren Grund herauszufinden, weshalb sie von Gefühlen überwältigt in Ohnmacht gefallen war, als sie erfuhr, daß Alan Hollingsworth keines natürlichen Todes gestorben war.
»Diese Frau ist eine Lesbe«, sagte Sergeant Troy auf dem Weg zum Auto.
»Ach ja?« Barnaby lachte. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Die geht extra ins Kino, um sich ’nen Film anzugucken, in dem Männern der Pimmel abgeschnitten wird.«
»Die Eier, nicht der Pimmel.«
»Ach so«, sagte Sergeant Troy und versuchte es ausnahmsweise mal mit ein bißchen Ironie, »dann ist es ja nicht so schlimm.«
Einige Stunden später saß Barnaby mit vor Müdigkeit grauem Gesicht, das sich jedoch von Minute zu Minute aufhellte, in Arbury Crescent in der Küche und schabte mit dem Kartoffelschäler dünne Flocken Parmesankäse von einem großen, knubbeligen Stück, das er fest in der Hand hielt.
Er besaß auch eine kleine Parmesanmühle, »ein todschickes italienisches Teil«, wie seine Tochter gesagt hatte, als sie ihm das Souvenir aus Padua mitbrachte. Doch bei diesem schicken Teil aus mattem Schwarz und Chrom fiel ständig der Deckel herunter. Deshalb war Barnaby rasch zu seiner alten Methode zurückgekehrt.
In eine viereckige Holzschüssel hatte er bereits einige kleine Artischockenherzen getan sowie schwarze Oliven, rote Paprikastreifen und kleingeschnittene Tomaten der Sorte Alisa Craig, die sein Nachbar selber zog. Nun riß er das Herz eines Romana-Salats in Stücke, halbierte einige Anchovis und fügte in Knoblauch getränkte Croutons hinzu, die er in einer Eisenpfanne warm gestellt hatte. Allmählich merkte er, wie sich seine Gelenke lockerten und die Spannung zwischen den Schultern nachließ, und Schritt für Schritt verdrängte er Fawcett Green, die Hollingsworths, Penstemon et cetera aus seinen Gedanken. Mit den Jahren war er ziemlich gut darin geworden. Irgendwie mußte man schließlich überleben.
Joyce hatte bereits eine Vinaigrette aus Olivenöl, Zitronensaft und Kräutern aus dem Garten vorbereitet. Sie machte Salatdressings, Toast und Tee und - es sei denn, sie war allein und mußte nur sich selbst versorgen - sonst nichts.
Barnabys Frau war eine ziemlich miserable Köchin. Nicht daß ihre Kocherei langweilig gewesen wäre oder es ihr an Experimentierfreude gemangelt hätte. Ganz im Gegenteil. Sie hatte eine kühne, wenn auch sehr willkürliche Art mit einem Hackmesser oder einem Schneebesen umzugehen. Nein, sie hatte einfach kein Talent dafür. Das an sich wäre ja vielleicht gar nicht so schlimm gewesen. Viele Leute, die kein Talent zum Kochen haben, schaffen es trotzdem, eßbare Gerichte zu produzieren. Einige davon verdienen sich sogar ihren Lebensunterhalt damit. Aber Joyce hatte ein weiteres Handicap. Ihre Geschmacksnerven waren offenbar irgendwann am Anfang ihrer Laufbahn abgetötet worden, ihr Gaumen war so gut wie empfindungslos. Irgendwer hatte sie mal sehr trefflich als die Meisterin des Rechauds bezeichnet.
Er nahm zwei Gläser aus dem Kühlschrank, füllte sie mit einem Montana McDonald Chardonnay und schlenderte in den Wintergarten, wo Joyce sich ein wenig ausruhte. Sie war umgeben von Farnen, Gräsern, Apfelsinen- und Zitronenbäumen und leuchtenden Blüten, so groß wie Frisbeescheiben wie Titania auf einem Blumenbett.
»Oh, wie schön.« Der Independent glitt auf den Boden.
»Rutsch ein Stück.« Barnaby gab seiner Frau ein Glas und setzte sich neben sie auf das Bambussofa. Dann trank er einen großen Schluck von dem Wein, der wirklich wunderbar war - samtig weich mit einem Duft nach Pfirsichen und Melonen.
»So läßt’s sich leben«, sagte Joyce.
Barnaby setzte sein Glas ab, nahm einen von Joyces schlanken, gebräunten Füßen und begann ihn sanft zu massieren. Sie sah ihm einen Augenblick zu, dann seufzte sie.
»Die gehen immer als letztes aus der Form, die Füße.«
»Red doch keinen Unsinn. Bei dir ist nichts >aus der
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