Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
Form<.«
Das stimmte allerdings nur teilweise. Zwar hatte sie immer noch schlanke Knöchel, die Haut auf ihren gebräunten Waden und molligen Oberarmen zeigte noch keine Falten, und ihre lockige Mähne war nur mit wenig grauen Strähnchen durchzogen. Doch ihr mittlerweile leicht fülliger Unterkiefer würde sich bald zu einem ausgeprägten Doppelkinn entwickeln. Die Falten zwischen Nase und Mund, die noch vor wenigen Jahren kaum aufgefallen waren, hatten sich jetzt tief eingegraben. Unter ihren Augen deuteten sich bereits Tränensäcke an. In zwei Wochen wurde sie fünfzig. Wo war nur die Zeit geblieben?
»Wirst du mich immer noch lieben, wenn ich alt und grau bin?«
»Um Himmels willen, nein. Ich plane bereits ein neues Leben mit Audrey.«
»Hast du dir deshalb diese gepunkteten Boxershorts gekauft?«
»Wir haben New South Wales ins Auge gefaßt.«
»Soll sehr schön dort sein.«
»Gutes Weideland. Und die ideale Gegend, um Kinder großzuziehen.«
»Ach, Tom.« Sie nahm seine Hand, drückte sie an ihre Wange, dann an ihre Lippen. »Seh ich immer noch wie vierzig aus?«
»Du hast noch nie wie vierzig ausgesehen, Schatz.«
Barnaby konnte die Ängste seiner Frau verstehen. Früher gehörten Geburtstage zu den Dingen, die mehr oder weniger regelmäßig einmal im Jahr auftauchen. Jetzt schienen sie einen jeden zweiten Donnerstag heimzusuchen und einem mit anzüglichem Grinsen auf die Schulter zu klopfen. Am besten drehte man sich gar nicht erst um.
»Komm. Ich hab einen Riesenhunger. Laß uns was essen.«
Er begann sich zu fragen, ob ein neues Parfüm tatsächlich eine so gute Idee war. Selbst nachdem er fast dreißig Jahre lang Geschenke für den Menschen gekauft hatte, den er besser als jeden anderen auf der Welt kannte, war Barnaby sich nur allzu bewußt, daß er nicht immer das Richtige traf. Das lag größtenteils an mangelnder Zeit und - wie er sich weniger gern eingestand - an mangelnder Phantasie.
Cully war da ganz anders. Schon als kleines Kind und mit nur wenig Geld hatte seine Tochter den Dreh rausgehabt. Sie stöberte in Dritte-Welt- und Trödelläden herum, später dann in Auktionssälen, Factorys Outlets oder beim Ausverkauf in Edelläden und erwischte immer genau das, was sich die Beschenkte schon immer gewünscht hatte.
Als Cully acht war, hatte sie mal vor Weihnachten irgendwo mit ihrem Vater in einer - wie er es nannte - »Kiste mit altem Plunder« herumgewühlt und eine weiche dunkelbraune Ledertasche in Form einer Lotosblüte gefunden. Der Reißverschluß war kaputt und der lange Tragriemen völlig ausgefranst. Nachdem er sie schon nicht davon abhalten konnte, fünfundzwanzig Pence für die Tasche auszugeben, mußte er auch noch mit ansehen, wie der Rest ihres Geldes für drei buntgefiederte Vögel und ein Päckchen dunkelroter Tissues draufging, aus denen sie Papierrosen machte. Dann hatte sie die Vögel zusammen mit diesen Blumen in die Lotosblüte gesteckt.
Joyces Begeisterung war unbeschreiblich gewesen. Die Vögel hockten immer noch in einer Topfpflanze im Gästezimmer. Die Lotosblüte hatte sich, nachdem sie jahrelang als Klammerbeutel benutzt worden war, irgendwann in ihre Bestandteile aufgelöst. Das Geschenk ihres Mannes, ein teurer Pullover mit Schneeflockenmotiv, hatte sein Dasein größtenteils im Kleiderschrank gefristet.
Während sie ins Eßzimmer schlenderten, sagte Joyce: »Bist du am Dienstag abend hier, Tom? Cully will vorbeikommen und den Film abholen, den wir für sie aufgenommen haben.«
»Ich dachte, sie wollte ihn sich doch nicht ansehen.«
»Sie ist noch unschlüssig.«
Ihre Tochter würde bald mit den Proben für eine Wiederaufnahme von Parn Gems Stück Der blaue Engel im Haymarket beginnen. Der Film aus den dreißiger Jahren war kürzlich im Fernsehen gelaufen, und da der Videorecorder der Brandleys kaputt war, hatte Joyce ihn aufgezeichnet.
»Also, bist du hier?«
»Darauf würd ich mich nicht verlassen.«
»Aber du wirst es versuchen?«
Sie setzten sich hin und sprachen über ihr einziges Kind. Über Cullys berufliche Erfolge. Und über ihre Ehe, die zwar noch existierte, aber nach Meinung ihres Vaters an einem seidenen Faden hing.
Joyce war da optimistischer, weil sie glaubte, daß Außenstehende - und besonders Eltern - nie genau wußten, was da eigentlich vorging. Natürlich hatte es reichlich Reibereien gegeben. Der letzte große Eklat endete damit,
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