Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
die Teekanne, und als ihre Tochter in die Küche kam, war alles fertig.
Brenda aß sehr manierlich. Mit geschlossenen Lippen kaute sie kleine Bissen, wie sie es von frühester Kindheit an gelernt hatte. Voller Stolz betrachtete Mr. Brockley das kastanienbraune Kostüm und die weiße Bluse seiner Tochter und dachte, wie schick sie doch aussah. Ihre kurzen braunen Haare waren ordentlich aus dem Gesicht gekämmt, und auf ihrem linken Revers prangte eine rote und goldene Anstecknadel mit ihrem vollen Namen. Reg, der noch nie geflogen war, fand, daß sie wie eine Stewardeß aussah.
Er und seine Frau sprachen oft ernsthaft und voller Respekt über die Zukunft ihrer Tochter. Eine berufliche Karriere war ja gut und schön, dennoch hofften sie inständig, daß sie recht bald einen netten, anständigen Mann heiraten würde. Sie würde dann in der Nähe wohnen und ihnen in angemessenem Abstand zwei nette, wohlerzogene Enkelkinder schenken. Sie redeten in dem Zusammenhang von seßhaft werden, obwohl ein unparteiischer Beobachter durchaus der Meinung sein könnte, daß Brenda bereits so seßhaft war, daß es einer Tonne Dynamit bedurft hätte, um sie von ihrem angestammten Platz fortzubewegen.
Jetzt saß sie am Tisch, den kleinen Finger gespreizt, nippte an ihrem Tee und beantwortete ausführlich die üblichen Fragen über die Ereignisse des Tages. Brenda wußte, wie sehr ihre Mutter - und seit der Pensionierung auch ihr Vater - sich auf diesen täglichen Bericht aus der bewegten Welt der Finanzwelt freuten.
»Dann mischte sich zu allem Überfluß auch noch Hazel Grantley aus der Buchhaltung ein. Wie sie es bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit tut. >Ihr könnt mir doch nicht weismachen<, sagte sie, >daß diese Zinsen falsch berechnet wurden. Maschinen machen keine Fehler.<« Brenda befeuchtete eine Fingerspitze und pickte den letzten Krümel Toast auf. »Mit der kommt keiner klar.«
»Das hast du schon erzählt.«
»Selbst ihr Mann nicht«, sagte Brenda mit Genugtuung. Wie so viele unglückliche Singles genoß sie Geschichten über Eheprobleme. »Darauf erwiderte Janine, die mittlerweile ziemlich fertig war: >Warum denn nicht? Die sind doch auch nur menschlich<. Natürlich haben alle gelacht, worauf ihr nichts Besseres einfiel, als in Tränen auszubrechen. Und das, als ein Kunde am Schalter stand. Ich weiß nicht, was Mr. Marchbanks dazu gesagt hätte.«
»War er denn nicht da?« fragte Iris.
»Er war beim Zahnarzt. Und als dieser Streit gerade abgeflaut war, hatte der Kugelschreiber von Jacqui Willig plötzlich Beine gekriegt.«
»Wie immer«, sagte Iris wissend.
»Trish Travers von der Personalabteilung sagte, sie hätte ihn auf der Toilette liegen sehen. Darauf Jacqui, sie wär schließlich noch nicht so alt, daß sie alle fünf Minuten dorthin rennen müßte. Im Gegensatz zu manchen anderen.« Nachdem Brenda aus ihrem Tag bei der Coalport-and-National-Bausparkasse auch noch das letzte bißchen Dramatik herausgekitzelt hatte, tupfte sie sich mit einem bestickten Taschentuch die Winkel ihres kleinen Mundes ab.
Reg und Iris tauschten einen verschwörerischen Blick. Ohne sich abzusprechen, hatte keiner von ihnen die ungewöhnliche Situation im Nachbarhaus erwähnt, weil beide das pikanteste Häppchen bis zum Schluß aufsparen wollten. Als Brenda nun die Zeit auf ihrer zierlichen, straßbesetzten Armbanduhr mit der tellerförmigen Küchenuhr verglich, gab Reg ein Räuspern von sich und Iris unterstrich die Bedeutsamkeit dieses Augenblicks, indem sie ihre Schürze ablegte. Brenda wirkte überrascht, als sie sich beide zu ihr an den Tisch setzten.
»Nebenan ist was passiert.«
»Nebenan?« Es schepperte leise, als Brenda Teller, Unterteller und Tasse übereinanderstellte, um sie zum Spülbecken zu bringen.
»Vorsicht«, sagte Iris.
»Was denn?« Brendas Stimme klang völlig tonlos. Sie hüstelte, bevor sie fortfuhr: »Vorhin sah alles aus wie immer.«
»Mrs. Hollingsworth ist verschwunden.«
»Simone?« Brenda sah sich, begleitet von ruckartigen Kopfbewegungen, im Zimmer um. »Wer hat euch das erzählt?«
Zur Verblüffung der Brockleys stand ihre Tochter auf, ging zum Spülbecken und drehte den Warmwasserhahn auf. Brenda hatte noch nie gespült oder auch nur beim Abräumen geholfen. Es gab eine unausgesprochene Vereinbarung, daß ihre monatliche Überweisung auf das Haushaltskonto, »Kostgeld« wie Iris es nannte, nicht nur ihren
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