Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
nur beobachten, aber hier handelte es sich eindeutig um Ruhestörung. Und da der Alvis den ganzen Verkehr aufhielt, wer konnte da schon sagen, wie lange der DCI brauchen würde, um herzukommen? Die Stimmen im Haus, beide männlich, wurden immer lauter. Eine überschlug sich vor Zorn, während zugleich verzweifelte Schmerzensschreie zu hören waren, die sich in ein Ächzen, Keuchen und Röcheln verwandelten.
Da die Auseinandersetzung offenbar nicht mehr nur rein verbal war, beschloss Bennet einzugreifen. Er überlegte kurz, ob er den DCI verständigen sollte, bevor er hineinging, entschied sich jedoch dagegen. Dieses kurze Zögern sollte sich als fatal erweisen. Als er die Haustür aufstieß und nach oben blickte, sah er zwei Gestalten, die auf dem Treppenabsatz miteinander kämpften. Eine fiel fast im gleichen Augenblick rückwärts gegen ein Treppengeländer. Das Holz gab splitternd unter dem Gewicht des Mannes nach, dann brach das ganze Geländer krachend auseinander. Bennet beobachtete entsetzt, wie der Mann durch die Luft flog und mit ungeheurer Wucht direkt vor ihm auf dem Steinboden aufschlug.
Es verging eine Menge Zeit, bevor Barnaby die Möglichkeit bekam, den Überlebenden dieser furchtbaren Auseinandersetzung zu befragen. Die Londoner Kollegen waren seit einer guten halben Stunde an Ort und Stelle, bevor der Chief Inspector, der seinen Sergeant gegenüber dem White Hart im Stau hatte stehen lassen und im Laufschritt zu dem Haus in der Lomax Road geeilt war, dort ankam. Sie hatten bereits ihren Pathologen verständigt, den Alvis weggefahren und versuchten nun, die immer noch wild hupende Meute zu beruhigen und das Verkehrschaos zu beseitigen.
Außerdem waren Vorkehrungen getroffen worden, den Mann auf dem Boden des Hausflurs, dessen Schädel durch den Sturz zertrümmert worden war, in die pathologische Abteilung des London Hospital zu bringen, sobald ein Fahrzeug von dort durchkommen würde. Derweil hatte man eine Decke über ihn gelegt, die man von oben aus der Wohnung geholt hatte, in der der Streit begonnen hatte.
DS Bennet saß völlig niedergeschmettert auf der Treppe und wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Als er den DCI sah, sprang er auf.
»Sir, o Gott, es tut mir ja so Leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hab die beiden gehört - wie das Ganze immer heftiger wurde. Ich hätte schon früher reingehen sollen. Ich wusste bloß nicht, ob - was ... es tut mir ja so Leid.«
Barnaby bückte sich, hob die Decke leicht an und legte sie sorgsam wieder hin. Im Vorbeigehen berührte er Bennet leicht an der Schulter.
»Das braucht Ihnen nicht Leid zu tun, Sergeant.«
Mehrere Stunden später, nach intensiven Verhandlungen zwischen der Thames Valley und der Metropolitan Police, wurde Valentine Fainlight, nachdem formell gegen ihn Anklage erhoben worden war, der Obhut zweier Beamter von der Kriminalpolizei Causton übergeben.
Auf der Wache hatte er sich gewaschen und ein sauberes Hemd und eine Jeans angezogen, die seine Schwester vorbeigebracht hatte. Sie hatte sich geweigert, wieder nach Hause zu fahren, und wartete nun seit fast zwei Stunden im Empfangsraum.
Barnaby und Troy hatten etwa halb so lange in einem Zimmer im Erdgeschoss im hinteren Teil des Polizeigebäudes gesessen und versucht, irgendeine vernünftige Äußerung aus Fainlight herauszubekommen, ohne jeden Erfolg. In London war er von einem Arzt untersucht worden, der seine Verletzungen versorgt und ihn für fit genug erklärt hatte, Fragen zu beantworten. Doch er hatte auch dort kein Wort gesagt.
Physisch fit sollte das wohl heißen. Denn was alles andere betraf, da war sich Barnaby nicht so sicher. Schwere Körperverletzung war ein Begriff, über den man sich in Polizeikreisen einig war. Aber wie lautete die Definition für eine schwere seelische Verletzung? Denn das war es mit Sicherheit, was das Ende von Fainlights äußerst destruktiver Beziehung bei ihm ausgelöst hatte.
Er saß da, den Kopf in die Hände gestützt, die Schultern gebeugt. Man hatte ihm etwas zu essen angeboten sowie Tee und Wasser, doch er hatte alles abgelehnt, immer wieder wortlos den Kopf geschüttelt. Barnaby hatte aufgeben, das Tonband an und aus zu schalten. Jetzt versuchte er es ein letztes Mal.
»Mr. Fainlight ...?« Barnaby konnte erkennen, dass der Mann nicht einfach stur war. Er hatte eher den Verdacht, dass er, trotz der Zeit, die inzwischen vergangen war, ihn und Sergeant Troy
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