Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
in der Glotze geguckt.« Er deutete mit dem Kopf auf einen tragbaren Sony-Fernseher. »Hab 'n paar Bier getrunken und mir 'n Nudel-Fertiggericht warm gemacht. John Peel im Radio gehört. Ins Bett gegangen.«
Barnaby nickte. Er würde Jackson nicht von dieser Version abbringen können und wusste ganz genau, dass sie keinerlei Beweise hatten, dass er am Tatort gewesen war, sonst säße er nämlich schon längst in Causton im Knast. Also ging der Chief Inspector zu allgemeineren Fragen über.
»Diese Wetterei, von der Charlie Ihnen erzählt hat. Wie hat er seine Wetten abgeschlossen?«
»Per Telefon.«
»Welcher Buchmacher?«, fragte Sergeant Troy
»Keine Ahnung.«
»Aber die waren hinter ihm her, und er hatte Angst?«
»Genau.«
»Komisch, dass anscheinend niemand sonst davon wusste«, sagte Troy. »Nicht mal seine Frau.«
»Diese miese alte Zicke?« Jackson lachte. »Charlie hat doch immer nur von schicken Miezen geträumt. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Oder seine Kumpane im Red Lion.«
Jackson zuckte mit den Achseln.
»Ich glaube, Sie haben sich das alles nur ausgedacht.«
»Die Gedanken sind frei.«
»Wusste er über Ihre Vergangenheit Bescheid, Terry?«, fragte der Chief Inspector.
»Ich fange hier ganz von vorne an. Das hab ich Ihnen doch schon erklärt.«
»Das muss sehr schön sein. Die Vergangenheit einfach so ausradieren zu können.«
»Yeah.« Jackson wirkte argwöhnisch, als wüsste er nicht genau, ob ihm das Gespräch gefallen sollte. Er setzte ein gewinnendes Lächeln auf. Seine Schneidezähne, die so spitz waren, als wären sie gefeilt worden, glänzten und blitzten.
»Nicht gerade eine ruhmreiche Vergangenheit, meinen Sie nicht?«, fuhr Barnaby fort.
»Ich hab meine Zeit abgesessen.«
»Sie haben kaum etwas anderes getan. Von einem Jugendgericht zum anderen. Stehlen, Lügen, Botengänge für die großen Jungs. Schmiere stehen für Drogendealer. Schwere Körperverletzung. Sie haben einen Rentner zusammengeschlagen und ihn mehr tot als lebendig liegen gelassen. Eine Messerstecherei...«
»Ich wurde von den anderen angestachelt. Wir waren ein ganzer Haufen.«
»Sie hatten das Messer in der Hand.«
»Na und? Jeder hat eine zweite Chance verdient.«
Das war kein Gejammer, das war eine reine Feststellung. Barnaby fragte sich, ob der Rentner nicht vielleicht auch gern eine zweite Chance gehabt hätte. Oder der Mann, der mit zerstochener Lunge in der Gosse gelegen hatte. Er sagte: »Wenn Sie bekämen, was Sie verdient haben, Jackson, wäre die Welt vielleicht ein angenehmerer Ort.«
Unten ging die Tür zur Wohnung auf und wieder zu. Barnaby beobachtete voller Staunen, was daraufhin mit Terry Jackson passierte. Ein starker, herzloser Mann verwandelte sich vor seinen Augen in eine verfolgte und gejagte Kreatur, die von einem grausamen Schicksal bis an den Rand der Verzweiflung getrieben wurde. Alle Härte löste sich von seiner muskulösen Gestalt, die jetzt so schlaff und rückgratlos wirkte, als könnte sie ihm keinen Halt mehr geben. Seine Beine knickten ein. Er kauerte sich auf den Fußboden, drückte seine Knie an die Brust und verbarg sein Gesicht.
»Was um alles in der Welt ist hier los, Jax?«
Der Junge hob langsam den Kopf und sah völlig aufgewühlt Reverend Lawrence an. Beide Polizisten starrten fassungslos auf das blasse, verängstigte Gesicht, auf die aufgerissenen Augen, in denen Tränen standen, und die bebenden Lippen.
»Die sind einfach hier reingeplatzt und haben mich mit Fragen bombardiert. Ich hab nichts getan, Lionel.«
»Das weiß ich Jax. Ist ja schon gut.«
»Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich nie enttäuschen würde.«
Lionel Lawrence wandte sich an Barnaby. Er wirkte verärgert und vermittelte deutlich den Eindruck, wenn ihn jemand enttäuscht hätte, dann die Polizei ihrer Majestät.
»Warum verfolgen Sie diesen jungen Mann?«
»Von Verfolgen kann überhaupt keine Rede sein, Sir. Wir gehen lediglich unseren Ermittlungen über den Tod von Mr. Leathers nach.«
»Man sollte doch meinen, dass Sie ein Interesse haben, dass wir gründlich vorgehen«, erklärte Sergeant Troy »Wo er doch bei Ihnen beschäftigt war.«
»Das hier ist mein Eigentum. Wenn Sie noch einmal mit Jax reden müssen, melden Sie sich zuerst im Pfarrhaus. Ich komme dann mit Ihnen hierher. Der Junge wird nicht mehr unter Druck gesetzt.
Weitere Kostenlose Bücher