Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
fraglichen Abend offenbar damit geprahlt, dass er demnächst zu Geld käme und was er damit machen würde. Doch da er sich ständig darüber ausließ, wie er seine Gewinne im Lotto oder Toto ausgeben würde, hatte das niemanden sonderlich interessiert. Dass er außerdem noch spielte oder wettete, wurde nirgends erwähnt.
Barnaby schob verärgert die Berichte beiseite und schickte ein kurzes Gebet an die Götter von Ursache und Wirkung, dass es sich nicht um ein zufälliges Verbrechen handeln möge. Ein Fremder, der einen Fremden umbringt, das war der Horror jedes Ermittlungsbeamten. Da gab es kein Motiv, das irgendein normaler Mensch verstehen konnte, obwohl der Mörder, falls man ihn erwischte, oft leidenschaftlich die Gründe verteidigte, die ihn dazu getrieben hatten. Natürlich wurden, wenn es keinerlei Anhaltspunkte gab, um eine Suche einzuleiten, solche Täter häufig gar nicht gefasst, und es wurde sehr viel Zeit und Geld verschwendet - ohne jedes Ergebnis.
Um seine negativen Gedanken loszuwerden, sprang der Chief Inspector auf, stieß seinen Stuhl zurück und brüllte nach Kaffee. Als keine Antwort kam, fiel ihm ein, dass Troy gerade eine Computerrecherche über den Kerl durchführte, der sich nur mit Jax vorgestellt hatte. Es wäre doch interessant festzustellen, in was für »kleinen Schwierigkeiten« der Mann gesteckt hatte.
Barnaby schlenderte ins Hauptbüro hinüber, schenkte sich eine Tasse starken Kaffee ein und schaute sich nach seinem Mitarbeiter um. Er entdeckte Troy am anderen Ende des Raums, ein Auge auf dem Bildschirm, das andere auf einer hübschen Telefonistin. Der Chief Inspector schlich auf leisen Sohlen hinüber und schlug Troy fest auf den Rücken.
»Verdammt noch mal!«
»Wie läuft's?«
»Ich wünschte, Sie würden das lassen, Sir.« Troy zog heftig an den leicht gepolsterten Schultern seiner Cero-Cerruti-jacke herum. »Ehrlich gesagt nicht so gut.«
»Was haben Sie probiert?«
»Jax, nur für alle Fälle. Dann Jacks mit CK. Und Jacklin. Jetzt arbeite ich mich gerade durch die Jackmans. Zu denen scheint ungefähr die halbe Gefängnisbevölkerung zu gehören.«
Barnaby beobachtete über die Schulter seines Sergeants, wie ein Gesicht nach dem anderen auf dem Bildschirm auftauchte. Gesichter von unvergleichlicher Bösartigkeit sowie schnuckelig aussehende kleine Kerle, die man sogar mit nach Hause zu Mutter hätte nehmen können. Schwarze und weiße und alle Schattierungen von Braun. Tätowierte und Typen mit Ringen in der Nase oder glatte Babygesichter mit runden Augen. Hässliche rasierte Köpfe voller Beulen und Stoppeln neben gepflegter grauer Haarpracht.
»Meine Güte, sehen Sie sich den mal an.« Sergeant Troy drückte eine Taste, und sie betrachteten beide das Verbrecherfoto. Ein verkommeneres Subjekt konnte man sich nur schwer vorstellen. Ein kugelrunder Kopf, der halslos auf bulligen Schultern saß. Eine ausufernde Nase mit riesigen Poren, dünne Lippen über wütend gefletschten Zähnen voller Lücken, zottelige Haare - und das ganze charmante Ensemble gekrönt von einem lüsternen Schielen voll purer Habgier.
»Was hat er getan?«
»Korrupter Anwalt.«
Kurz darauf kamen sie ans Ende der Jackmans.
»Vielleicht«, gab Troy zu bedenken, »ist unser Mann ja völlig von seinem richtigen Namen abgewichen. Etwa Saunders oder Greenfield?«
»Das möcht ich bezweifeln. Zum Glück haben solche Typen nicht viel Phantasie, was Decknamen betrifft. Versuchen Sie's mit Jackson.«
Natürlich gab es auch viele Jacksons, aber schließlich fanden sie den Gesuchten. Zwar war er dunkelhaarig zu der Zeit, als sein unvergleichliches Profil aufgenommen wurde, und trug einen dichten Schnurrbart, aber er war es eindeutig.
»Erwischt!«, sagte Barnaby. »Also, worin bestanden denn seine >kleinen Schwierigkeiten?«
Troy klimperte noch ein bisschen herum. Beide Männer betrachteten den Bildschirm, dann sahen sie sich gegenseitig einigermaßen verblüfft an.
»Ich kann es nicht fassen«, sagte Sergeant Troy.
»Ich schon.« Barnaby erinnerte sich, wie sich ihm beim Anblick des Chauffeurs die Nackenhaare gesträubt hatten. Der Widerwille, den er bei der Vorstellung empfunden hatte, die ausgestreckte Hand des Mannes zu nehmen, wurde noch größer, als er die Liste seiner Vergehen las. »Was ich nicht verstehen kann, ist, dass dieser Idiot von Lawrence einen solchen Dreckskerl auch nur in die Nähe seiner Familie
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