Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
zutiefst, mit einem Korb hinausgeschickt zu werden. Evadne war nie auf die Idee gekommen, ihr zu erklären, dass Piers nur das Lokalblatt im Maul trug. Bei den schwereren Zeitungen brauchte selbst er ein bisschen Hilfe.
Nun kippte Mazeppa, die unbedingt beeindrucken wollte, den Korb um, zog einen Teil der Zeitung heraus, biss darauf herum, zerrte ihn in die Küche und legte ihn vorsichtig hin.
»Was hab ich dir gesagt?« Evadne hob die Zeitung auf, stach mit ihrem Finger durch eine besonders nasse Stelle und fuchtelte tadelnd vor der Nase des Hundes herum. »Wie soll ich das denn lesen?«
Mazeppa schlug mit ihrem zarten, schwertlilienförmigen Schwanz heftig gegen das Tischbein und hechelte und seufzte beglückt über so viel Aufmerksamkeit.
»Und jetzt glaubst du sicher, du bekommst ein Plätzchen.«
Das klopfende Geräusch wurde langsamer, weniger selbstsicher. Mazeppas Gesicht, das schon von Natur aus zusammengequetscht und voller Runzeln und Falten war, wurde vor lauter Sorge jetzt noch schrumpliger. Evadne streichelte den Hund, warf ihm einen Keks mit Bourbon-Aroma zu und ging mit Tee ins Wohnzimmer. Dort schlug sie den noch lesbaren Kulturteil der Zeitung auf.
Im Victoria & Albert Museum gab es eine Ausstellung früher englischer Mezzotintos und Aquarelle. Evadne liebte Aquarelle. Sie fragte sich, ob das Museum die Hunde irgendwo unterbringen würde. Mrs. Craven hatte ihren Pudel, einen ungezogenen kleinen Angeber, zu einer Gartenausstellung auf dem St. Vincent's Square mitgenommen. Im Vergleich dazu waren die Pekinesen wahre Engel. Vielleicht könnte sie sie kurz bei der Garderobenfrau lassen? Sie beschloss, gleich morgen dort anzurufen.
Bereits von Vorfreude erfüllt, übersprang Evadne die Theaterkritiken - wozu um alles in der Welt brauchte man Theater, wo doch das alltägliche Leben um einen herum schon voller Drama war? - und schlug die Buchbeilage auf.
Sie hatte immer ein kleines Notizbuch und einen Drehbleistift neben ihrem Sessel liegen, um sich die Titel aufzuschreiben, die sie ansprachen. Nicht dass sie sich viele davon leisten konnte, doch die Bücherei in Causton war trotz ihrer ständigen Finanzknappheit meist in der Lage, ein Exemplar zu kaufen oder von woanders zu besorgen.
Heute gab es eine ganze Seite mit Kinderbüchern. Sie war nach dem Alter der Kinder in Kästen aufgeteilt und zeigte auch einige Abbildungen aus den Büchern. Einige waren lustig, andere bezaubernd und manche so Furcht erregend, dass Evadne sich fragte, was für Eltern so etwas denn ins Haus ließen. Sie wünschte, sie würde ein Kind kennen, das ihr aufs Knie klettern und sich Die Geschichte von Peter, dem Kaninchen oder von Babar, dem Elefanten anhören würde. Vielleicht würde die frisch verheiratete Nichte ihr irgendwann den Gefallen tun.
In der Rubrik für die Sieben- bis Neunjährigen stieß sie auf einen neuen Titel aus der Barley-Roscoe-Serie. Evadne wusste alles über Barley. Valentine Fainlight hatte mal ein signiertes Exemplar der Abenteuer seines jungen Helden für das Kirchenfest gespendet, und Evadne hatte es in der Tombola gewonnen. Barley war ein reizendes Kind, geriet zwar häufig in Schwierigkeiten, hatte aber immer die besten Absichten. Er erinnerte sie an William Brown, besaß aber nicht Williams unglaubliche Unbekümmertheit, wenn er vor den Trümmern seiner aufrichtigen Bemühungen, hilfsbereit zu sein, stand.
Evadne legte die Zeitung beiseite. Jetzt bedauerte sie, dass sie sie überhaupt aufgeschlagen hatte. Sie hatte versucht, den Namen Fainlight aus ihrem Kopf zu verdrängen. Und auch nicht über die traurige Tatsache nachzudenken, dass Carlotta verschwunden war. Sie hatte großes Mitleid mit Valentine. Als der nette junge Constable sie gefragt hatte, ob sie das Mädchen gekannt hätte oder irgendetwas über ihr Verschwinden wüsste, hatte Evadne ihren liebeskranken Freier erwähnt. Doch dann, weil sie fürchtete, sie könnte damit Valentine irgendwie in Verdacht gebracht haben, hatte sie rasch erklärt, dies sei eine reine Schlussfolgerung aus ihren Beobachtungen, kein wirkliches Wissen.
Und seine arme Schwester. Du meine Güte. Evadne seufzte laut. Sie hatte Louise am Freitag im Garten ihres Hauses weinen gehört. Evadne war für eine christliche Hilfsorganisation unterwegs gewesen und hatte mehrere Minuten unsicher gezögert, hin und her gerissen zwischen dem natürlichen Bedürfnis zu trösten und der Befürchtung, dass eine Einmischung
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