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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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zum anderen springen. Keine Ahnung, was ich gesagt habe.»
    «Einer fehlt. Schauen Sie sich das an.»
    «Erwarten Sie etwa, daß ich meinen Lieblingsplatz verlasse …? Ach, na gut.»
    Unter Ächzen und Stöhnen kam sie ihm nach, und zwar überraschend behende. Sie kniff die Augen zusammen und nahm schließlich doch Zuflucht zu ihrer Brille. «Tatsächlich. Den dürfte Crick genommen haben. Vielleicht mußte er repariert werden. Wollen Sie etwa andeuten, daß jemand ihn stibitzt hat? Er war keinen Pfifferling wert.»
    «Hat sie Glasfiguren gesammelt?» Er zog den blauen Vogel aus der Tasche. «Wie diese hier?»
    «So eine habe ich mal gesehen, ja. Wie sind Sie denn an die gekommen? Heben Sie etwa auch das Zeug auf, das vom Müllauto herabfällt?» Und schon war sie wieder auf dem Weg zum Balkon.
    Jury folgte ihr und griff nach dem Umschlag. Er müßte ihn öffnen und die Fotos der Toten herausholen. Er würde es nicht tun; es wäre verfrüht gewesen. Verfrüht und entsetzlich, wenn er unrecht hatte.
    «Ziehen Sie eine Karte .» Sie hielt ihm die aufgefächerten Karten hin.
    Jury legte den Umschlag beiseite und zog eine. Pikdame. Er sah auf und in ihre kummervollen Augen, sah die reichberingten Finger, den drachenbestickten Schal. Und er dachte an Carole-anne, Meg und Joy. «Ich wußte gar nicht, daß Sie sich auf Kartenkunststücke verstehen, Lady Summerston», sagte er und legte die Karte weisungsgemäß ab. Meg und Joy, die keine Zwillinge waren. Man brauchte sie nur nebeneinanderzustellen, wenn man auf ihren Gesichtern Unterschiede entdecken wollte. Aber die Leute sahen, was sie zu sehen erwarteten. Was das betraf, hatte er reichlich Erfahrung mit Zeugen sammeln dürfen. Kein Mensch sah vollkommen klar und objektiv.
    Der Beweis dafür: nicht einmal er hatte genau mitbekommen, was sie da machte, als sie das Spiel mit großem Brimborium neu mischte. Ein einfacher Trick, den er wahrscheinlich Dutzende von Malen gesehen hatte, aber er wußte nicht, wie er funktionierte.
    Sie hielt die Pikdame hoch.
    «Ausgezeichnet.» Er lächelte. «Wie gut kennen Sie Ihre Enkeltochter wirklich, Lady Summerston?»
    Sie warf einen kurzen Blick auf das Buch und nahm dann das Foto von Gerald Summerston. «Ich glaube, ich stimme mit Mr. Melville überein», sagte sie und klopfte auf den Buchrücken des Hochstaplers . «Wer weiß schon, wer der andere wirklich ist, Superintendent? Ich glaube, so hieß das wohl bei ihm», sagte sie und warf ihm einen schlauen, eisblauen Blick zu. «Ich finde, gerade Sie sollten sich dessen bewußt sein.»
    Er sah auf das Kartenspiel und sah statt dessen das Spiel auf dem Couchtisch in Sadie Divers Zimmer. «Das Leben ist voller Kartenkunststücke, Lady Summerston.»

30
    «O H , ICH KOMME UNGELEGEN », sagte Melrose, als Diane ihm seinen Mantel abnahm. «Sie wollen, wie ich sehe, gerade aufbrechen.» Über der Sofalehne lagen ein Leinenmantel und eine Handtasche.
    «Nur nach Sidbury.» Und schon machte sie sich daran, ihnen Drinks zu holen, rollte den stummen Diener aus Chrom und Glas herbei.
    Er konnte wohl nicht gut sagen: «Ein bißchen früh am Tag für mich», da sie ihn soeben in der «Hammerschmiede» gesehen hatte. «Danke. Von dem Cockburn Sherry, bitte.» Dann sah er zu, wie dieser in ein riesiges Whiskyglas rauschte.
    Der Raum machte es auch nicht besser. Manchmal, dachte er, sollte man bei der Möblierung von Räumen einfach die Stühle, Tische und Sofas irgendwohin stellen. Diane Demorneys ausgeklügelter Versuch, mit ihrer Dekoration eine bestimmte Aussage zu machen, hatte seine Phantasie beflügelt. Nicht zu fassen, daß sich Weiß und Weiß beißen konnten, aber hier taten sie es. Der einzige Farbfleck im Zimmer war ein Strauß kupferfarbener Teerosen, die vor einem weißen Gemälde glühten. Diane selbst loderte in einem Kleid von genau demselben Farbton, flammengleich vor ihrer winterlichen Landschaft. Melrose saß auf einem weißen Lederdings, einer Art ausgehöhltem Iglu, der keine bei einer Sitzgelegenheit sonst üblichen Teile zu besitzen schien, nichts so Simples wie Seitenlehnen zum Umklammern oder eine gerade Rückenlehne. Einen Augenblick befürchtete er, sie würde sich zu ihm auf dieses Monstrum gesellen, doch sie setzte sich statt dessen in die Sofaecke, die ihm am nächsten war.
    «Haben Sie schon geluncht? Wie wär’s mit Jean-Michael? Das einzige Lokal in der Grafschaft, wo man cuisine minuet bekommt.»
    «Ein andermal, vielleicht. Ich bin verabredet.» Das klang

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