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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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schneller machen? Mir ist kalt.»
    Wieder einmal wunderte er sich, wie total unfähig Frauen doch waren, wenn es galt, die einfachsten Dinge zu richten. Selbst bei den leichtesten mechanischen Arbeiten wie eine Sicherung oder einen Reifen wechseln oder ein Segel hochziehen hatten sie zwei linke Hände. Tante Glad war genauso. Sie brachte alles, vom Kochen bis zum Nähen von Schonbezügen, aber wenn sie ihn nicht hätte, Tante Glad würde im Dunkeln inmitten kaputter Haushaltsgeräte hocken (genau wie die hier).
    «Die Sache ist die», sagte Tommy, «ich komme nämlich ganz von Gravesend.» Er kniff die Augen zusammen und musterte den winzigen Glasring also, diese hier war noch heil, wenigstens sah sie so aus. «Und es will mir nicht in den Kopf, daß Sadie in den Pub gegangen sein soll, wo sie doch wußte, um welche Uhrzeit ich –» Überall flammten die Lampen auf, es war wie Weihnachten, wenn ganz London auf den Lichtschalter drückt.
    Sie blickte sich um, staunend über den jähen Lichterglanz. «Junge, bist du aber schlau!»
    Schlau. Tommy kniff angewidert die Augen zusammen. Manchmal dachte er, Sadie wäre das einzige vernünftige Mädchen, das er kannte. Wahrscheinlich weil sie schon so lange auf eigenen Füßen stand. Sadie war die Schlaue, mit Abstand.
    «Ich sollte dir wenigstens was Warmes zu trinken machen.» Sie ging wieder in die Küche mit dem groben Naturholz und der großen weißen Arbeitsfläche und klapperte mit den Töpfen.
    «Altman’s oder so etwas haben Sie wohl nicht im Haus?» Das mußte man ihr lassen, sie schluckte es spielend; sie warf ihm keinen Blick zu, ob er auch alt genug wäre. Wenn er mit Sid im «Delphin» saß, sie rauchten und Altman’s tranken, dann fühlte er sich richtig wohl. Anders war es, wenn er allein in einen Pub ging wie vorhin in die Bahnhofskneipe. Mann, hatte der Typ ihn unter die Lupe genommen. Und dabei hatte sich Tommy eingebildet, in London nähmen sie es nicht so genau.
    Altman’s hatte sie nicht, aber Bass. Er saß auf dem hohen Hocker und dankte mit einem weltläufigen Kopfnicken. Sid war cool, gelassen. Einmal hatte Tommy erlebt, wie er aus der Bar des «Delphin» Sägemehl gemacht hatte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Andererseits sagte man von Tommy immer, er sähe aus wie ein Unschuldsengel mit seiner klaren Haut und den strahlenden Augen, die richtig aufflackern konnten wie ein Licht, das plötzlich angeknipst wird.
    Sie machte sich daran, die beiden Bass zu öffnen, und setzte sich auf den zweiten hohen Hocker an der Küchenbar. «Tja, deine Schwester kenne ich nicht – wie sagst du noch, heißt sie?»
    «Sadie, Sadie Diver.»
    «Und du?»
    «Tommy.»
    «Du bist ihr Bruder.»
    Tommy biß sich auf die Zunge und sah zu dem großen Kalender hoch. Wenn man den IQ von der hier da oben festmachen wollte, würde er vielleicht gerade ein Kästchen füllen. Aber wer so hübsch war, konnte wohl nur dumm sein. Er nickte, trank sein Ale und bemühte sich, sie nicht anzuschauen. Nun, sie sah nicht wie ein Ausbund an Unschuld aus (so wie er), aber wie sollte sie auch mit diesem Schlafzimmerblick, dem metallfarbenen Haar und dazu noch mit dreißig.
    «Was ich nicht verstehe ist, wieso sie mir keine Nachricht dagelassen hat. Das paßt gar nicht zu Sadie.»
    Sie holte eine Packung Zigaretten von der Fensterbank, nahm sich eine und schob sie ihm über die Bar zu. Gar nicht so unnett, dachte Tommy; es war sicher besser, hier als auf einer kalten Steinstufe zu hocken. Obwohl seine Tante und sein Onkel darüber wahrscheinlich anders dachten.
    «Hat sie Telefon, deine Schwester?»
    Tommy sprach um die Zigarette herum, die ihm im Mundwinkel hing. «Wartet noch auf ihren Anschluß. Sie kennen ja Telecom», setzte er altklug hinzu, denn ihm war eingefallen, wie sein Onkel sich darüber beschwert hatte, daß die immer so lange brauchten.
    «Und ob! Vier, geschlagene vier Monate hat es gedauert, bis ich meinen hatte.» Sie nahm einen Schluck Ale und schien nachzudenken.
    Es gefiel ihm, daß sie einfach aus der Flasche trank. Vielleicht war sie doch nicht so dumm, wie er zuerst gedacht hatte. Und als sie wieder den Mund aufmachte, da war sonnenklar, daß sie nicht dumm war.
    Sie rutschte vom Hocker und sagte: «Na, dann komm. Wir müssen wohl einbrechen.»
    Tommy machte große Augen. «Wie meinen Sie das?»
    Sie nahm bereits einen schwarzen Trenchcoat vom Haken und steckte die Taschenlampe ein. «Genau wie ich gesagt habe. Anscheinend hast du es nicht mal bei den

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