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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Fenstern probiert. Und wenn das nicht funktioniert, nehmen wir eine Kreditkarte. Hast du eine? Ich habe keine Lust, nach meiner zu suchen.»
    Eine Kredit karte? Wollte sie ihn auf den Arm nehmen? «Ich zahle bar.»
    «Sehr klug.» Sie ließ die Zigarette in einen metallenen Abfalleimer fallen und ging vor ihm her durch das große, glänzend gewachste Zimmer, wo sie eine rostrote Tasche von einem hochlehnigen Stuhl hob, in ihr herumkramte und dabei Papiertücher, Zigaretten, zerknitterte Rechnungen und Lippenstifte zutage förderte.
    «Also, ich weiß nicht», sagte Tommy, immer noch um seine Zigarette herum. «Ich meine, das mit dem Einbrechen in die Wohnung meiner Schwester –»
    Im Strudel des ganzen Klimbims aus ihrer Tasche hatte sie eine Puderdose aus Plastik aufgetrieben und so ganz nebenbei ihr Haar überprüft und sich auf die Lippen gebissen. Schätzungsweise lassen Frauen keine Gelegenheit aus, dachte Tommy. «Würdest du lieber in eine einbrechen, die nicht deiner Schwester gehört?» Sie klappte die Puderdose zu, warf sie auf den Haufen mit dem übrigen Krempel und suchte weiter.
    Manchmal wußte er nicht, was er sagen sollte. «Natürlich nicht; ich bin noch nie in eine Wohnung eingebrochen. Aber Sie offenbar.»
    «Klar, ist doch mein Beruf.»
    Mit offenem Mund ließ er sich auf eine Reihe Lederstreifen fallen, die wohl ein Stuhl sein sollten. Er war ungefähr so bequem wie die Steinstufe; alle Möbel – von denen es so wenig gab, daß sie kaum sein eigenes Zimmer zu Hause gefüllt hätten, geschweige denn dieses hier – hatten spindeldürre Beine und geschwungene Chromlehnen und sahen aus, als stammten sie aus der Requisitenkammer von Star Trek.
    Sie seufzte ungeduldig und durchblätterte eine abgenutzte Brieftasche. «Ich mache doch nur Spaß. Du siehst aus, als würdest du erwarten, gleich einen großen Koffer mit der Aufschrift ‹Diebesgut› zu entdecken. Da ist sie ja!» Triumphierend hielt sie die Plastikkarte hoch.
    Im Hinausgehen sagte er: «Wo haben Sie bloß die ganzen komischen Möbel her?»
    «Die ganzen komischen Möbel sind zufällig Bonoldo. Du hast auf einem Fünfhundert-Pfund-Stuhl gesessen, falls du es nicht bemerkt haben solltest.»
    Nein, hatte er nicht. Es war sicherlich super, auf Möbeln von ihrem Freund rumzuhocken, aber dafür ging ihm wohl das Gespür ab.
     
    Das Haus lag völlig im Dunkeln, und im Keller leuchtete immer noch das rosafarbene Licht. Nur zwei schmale Fenster gingen auf die Straße, und die waren mit Eisengittern gesichert, die so kräftig aussahen wie ein Spitzenstoff. Das mußte er Sadie unbedingt sagen. Im schlimmsten Fall könnte er das Gitter abnehmen und das Fenster eindrücken, doch das wollte er nicht.
    Da man weder von der Seite noch von hinten eindringen konnte, gab es nur einen Weg, nämlich das Schloß zu überlisten. Er blickte sich um und sah, daß sie im Lichtkegel der Straßenlaterne Ausschau hielt und den Gehsteig nach beiden Richtungen absuchte. Das mattgoldene Haar hatte sie in den Kragen des schwarzen Regenmantels gestopft, und das, zusammen mit den schwarzen Stiefeln, die sie anhatte, machte, daß sie geheimnisvoll, ja, sogar gefährlich aussah. Sie hatte die Hände in den Taschen vergraben.
    Tommy pfiff, und sie kam herüber, ging die vier Stufen herunter und zog keine Pistole, sondern ihre Plastikkarte hervor. Es war kein Sicherheitsschloß, denn nach wenigen Augenblicken flutschte die Plastikkarte hinein, und er hörte den Bolzen im Schloß klicken.
    Doch als sie die Tür aufmachte, hatte er auf einmal Angst. Zum erstenmal hatte er das Gefühl, daß da wirklich etwas nicht stimmte, und wußte nicht, was sie in der Wohnung vorfinden würden.
    Nichts. Er atmete auf. Die Wohnung sah aus, als ob jemand für ein Weilchen ausgegangen war: Illustrierte aufgeschlagen auf dem Sofa, Becher mit kaltem Tee auf dem Beistelltisch. Tommy sah gleich, daß es ein brandneues Schlafsofa war. Alles hier wirkte, als käme es direkt aus dem Schaufenster. Er sah, wie sie das alles betrachtete und auf den Lippen kaute, und sah es mit ihren Augen. Auch wenn ihre abartigen Möbel sich hart anfühlten und asketisch aussahen, so war Tommy doch klar, daß Sadies im Vergleich dazu einen ziemlich billigen Eindruck machten.
    Aber sie sagte kein Wort, setzte sich bloß auf den rosafarbenen Stuhl neben der rosa Lampe und kramte ihre Zigaretten heraus. Eine Kuckucksuhr an der Wand jagte ihm einen Schrecken ein; aus der dunkelgrünen Tür des unechten Nußbaumgehäuses

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