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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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. Entsetzt flogen ihre schmalen Hände zum Mund. Sie hatte den Eindruck, daß die Tür, welche etwas angelehnt gewesen war, aufging !›»
    Melrose rutschte unwillkürlich vor und hörte zu seinem größten Erstaunen, wie Jury ruhig fragte: «Haben Sie Simon Lean geliebt, Miss Lewes?»
     
    Der Läufer zu ihren Füßen war so dick, daß die Karaffe nicht zerbrach, als sie Joannas Griff entglitt. Sie rollte noch ein wenig, blieb dann aber liegen. Ein dünnes Sherry-Rinnsal lief über den Vorleger. Blind starrte sie darauf und dann von Jury zu Melrose und wieder zurück.
    Als sie nicht antwortete, sagte Jury: «Ich frage mich nämlich, wie viele Male er nicht gekommen ist. Und wie oft Sie in jenes Sommerhaus gegangen sind.»
     
     
    «Aber so sollte die Frage doch gar nicht lauten!» sagte Melrose auf dem Rückweg zur High Street. Joanna hatte sich schlicht geweigert, etwas zu sagen, und so hatte Jury erklärt, er würde wiederkommen, wie ein mitfühlender Arzt zu einem störrischen Patienten spricht. «Die Frage sollte lauten: ‹Hat Simon Lean Sie erpreßt?› Oder so um den Dreh.»
    «Warum?» Jury blickte zu dem allmählich dunkler werdenden Himmel auf, zu den Sternen, die dort wie hinter Nebelschleiern leuchteten.
    «Der Zufall mit dem Verlag. Erpressung oder Rache. Vielleicht hat Simon Lean vor langer Zeit mal eins ihrer Bücher abgeschmettert –»
    «Lean hat im kaufmännischen Bereich gearbeitet, Buchhaltung. Wo das Geld ist.»
    «Es will mir einfach nicht in den Kopf, wie Sie das alles aus der Geschichte von Heather und Jasper gefolgert haben.»
    «Ein Schuß ins Blaue. Wenn sie erst mal ins Reden kommt, vergißt sie sich offenbar.» Jury hob die Schultern. «Also dachte ich, wenn sie eine Geschichte erzählt, läßt sie sich vielleicht noch weiter hinreißen. Sie konnte nicht anders. Sie ließ sogar ihre Heldin in einem Gasthof am Ende der Welt absteigen.»
    «Wie der ‹Blaue Papagei›. Heiliger Bimbam. Ich mag die alte Joanna einfach. Will mir gar nicht gefallen, daß sie unter Verdacht steht.»
    Jury lächelte im Dunkeln und nahm das ausgestopfte Ungeheuer unter den anderen Arm. «Nur keine Bange, wir haben jede Menge Verdächtige.» Sie näherten sich jetzt der «Hammerschmiede». «Und ich habe den Verdacht, daß ich in London noch mehr auftreibe. Beispielsweise Simon Leans Geliebte. Wenn ich sie tatsächlich finde.»
    «Sie fahren doch nicht im Ernst schon heute abend?»
    «Doch.»
    Da standen sie nun und blickten durch die bernsteinfarbenen Scheiben der «Hammerschmiede», wo Marshall Trueblood und Vivian Rivington ins Gespräch vertieft saßen. «Er wollte nur das Geld», sagte Jury fast geistesabwesend.
    «Joannas, meinen Sie?»
    «Ich dachte dabei eher an seine Frau.»
    «Was halten Sie von ihr? Ist sie die Hauptverdächtige? Im Normalfall ist das doch so?»
    «Ist es wohl», sagte Jury und sah zu, wie Trueblood die Gläser nahm und den Tisch verließ. Vivian blickte zum Fenster, vor dem sie beide im Dunkeln standen, und sie blickte durch sie hindurch.
    «Na, dann will ich mal. Wahrscheinlich bin ich morgen zurück. Falls ich nicht eine Panne auf dem M-1 habe.»
    Melrose sah ihm nach, als er auf der dämmrigen Straße davonging, das Ungeheuer unter dem Arm.
     

Z WEITER T EIL
    W ILLST D U MICH PRELLEN ?
K LINGT ’ S VON S T . H ELEN

15
    T OMMY STAND MIT SEINEM K OFFER auf dem Gehsteig, sowie er damit schon auf dem Dock von Gravesend gestanden hatte. Die kunstvolle schmiedeeiserne Straßenlampe, die eine alte Gaslaterne vortäuschen sollte, hüllte ihn in ihren Lichtkegel. Das schmale Haus mit dem flachen Dach war ansatzweise im Stil Edwards VII. hergerichtet worden; dagegen wirkten die Häuser zu beiden Seiten mit ihren zerbrochenen und vernagelten Fenstern wie Krüppel. Das erste in der Reihe lehnte sich an einen schwarzen Speicher, auf dessen dicker Brettertür die Graffiti allmählich verblaßten. Wie Pockennarben sprenkelten diese Türen Limehouse Causeway und Narrow Street.
    Die Adresse, die er suchte, war in der Narrow Street. Die Tür hatte einen Messingklopfer in Form eines Schoners. Das Haus war zu verkaufen, doch das Schild hatte Schlagseite, denn es hatte anscheinend schon eine ganze Weile dort gestanden. Kein Wunder, dachte Tommy. Allein an Pacht um die zweihunderttausend. Sadie lebte in einer Souterrainwohnung. Was sie wohl an Miete zahlte; er hatte gedacht, sie würde eher in so einer Sozialwohnung wie auf der anderen Straßenseite wohnen. Er schob die Mütze zurecht, öffnete

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