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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Erstaunen; wo er nur immer so obskure Dinge ausgrub. «Ich weiß nicht, ich finde sie einfach schön.»
    «Besser als Christopher Wren», sagte Wiggins und nieste schon wieder. Und nach diesem abschließenden Urteil über die Kirchenarchitektur des achtzehnten Jahrhunderts befand er, es begänne zu regnen, und marschierte weiter.
    Genau in diesem Augenblick ertönten zwölf dröhnende Glockenschläge, aber vielleicht jubelten die Glocken auch nur, weil sie mitbekommen hatten, daß jemand die Kirche nach zwei Jahrhunderten Warterei endlich zu schätzen wußte.
     
     
    Hinter der Bar der «Fünf Glocken und dem Schulterblatt» stand ein Mann mittleren Alters mit Pausbäckchen und einem Kußmundlächeln, der mehr Ähnlichkeit mit einem Engel oder Priester als mit einem Wirt hatte. Und das, so erzählte er Jury, war er auch nicht. Er stellte einem Gast ein Lager auf die Theke; jener bezahlte wortlos und ging gähnend zum hinteren Teil der Kneipe in eine kleine Nische. Die Wände und Decke waren mit uralten Teepackungen dekoriert. Die Kundschaft bestand aus einem guten Dutzend Gäste. An der Bar hockte ein Mann, der in die Ferne blickte, rauchte und so tat, als spitze er nicht die Ohren.
    «Nein, ich bin nicht der Wirt», sagte der Barockengel, der Bernard Molloy hieß. «Hab einen Laden in Derry, ja, ja. Vertrete bloß den Wirt, der es ein wenig an der Leber hat.»
    Gerade wollte Wiggins den Mund aufmachen und Rat und Hilfe anbieten, da zückte Jury auch schon das Foto von Simon Lean. «Wenn Sie noch nicht lange hier sind, dann kennen Sie diesen Mann vielleicht gar nicht.»
    Doch Bernard Molloy rückte bereits seine Brille zurecht. Er schien kein Mensch zu sein, der sich Entscheidungen leicht machte, denn er betrachtete das Bild von allen Seiten, als ob das Gesicht dieses Mannes mittels Hin- und Herwenden vertrauter würde. «Also, er hat so was, ich meine fast, ich hätte ihn schon mal gesehen.»
    Der Mann an der Bar warf einen raschen Blick auf das Foto und sagte: «Den da hamse noch nie gesehn, Molloy; sind doch erst ’ne Woche hier, und der Kerl da hat sich seit zwei Monaten nich mehr blicken lassen.»
    Wiggins, das Notizbuch griffbereit, wandte den Blick von einem dicken Deckenbalken und fragte ihn erst einmal nach seinem Namen.
    «Jack Krael.»
    «Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen, Mr. Krael?»
    «Wie ich gesacht hab. Is an die zwei Monate her.» Sein Blick traf Wiggins wie eine Gewehrkugel.
    «Ist er oft hier gewesen?»
    «Kann sein, ich hab ihn so an die drei-, viermal gesehn.» Er hob die Schultern und klopfte die Asche von seiner Zigarette gemächlich in den Zinnaschenbecher. «Würd mich auch nich an den erinnern, wenn er nich mit Ruby gekommen war.»
    «Ruby?» sagte Jury.
    «Ruby Firth.»
    Der Mann rechts von ihm mit der karierten Mütze sagte: «Wohnt die nich inner Limehouse Road, Jack? Da is doch die Polizei schon ’n ganzen Morgen rumgekrochen, was, Jack?»
    Anscheinend hatte man Jack Krael zum Sprecher der «Fünf Glocken» erkoren. Er nickte und kippte seinen Whisky hinunter. «Genau wie Sadie.» Er sah Jury mit seinen korinthenartigen Augen an, deren Iris schwarz und stechend war. «Sie sind hier drinne schon der fünfte oder sechste.» Er blickte in sein leeres Glas. «Komisch, daß die beide nur so ums Eck gewohnt ham.»
    Jury legte Geld auf die Theke und bedeutete Molloy, Kraels Glas aufzufüllen.
    «Bushmill’s, Molloy. Den Black Bush gleich da drüben.» Schließlich mußte er nicht dafür zahlen. «Das arme Meechen.» Krael seufzte und meinte wohl, sich mit diesem Gefühlsausbruch genug für den Bushmill’s bedankt zu haben.
    Die Erwähnung des «armen Meechens» Sadie lockte noch ein paar Leute an die Bar. Nun hob ein wetteiferndes Vergleichen und Überarbeiten der unterschiedlichen Versionen dessen an, was die Polizei wen gefragt hatte. Daß es vielleicht nicht bei einer Tragödie bleiben würde, schien die Laune zu heben.
    Eine Frau um die Sechzig oder Achtzig kam zur Tür hereingelatscht und gesellte sich zu der Runde. Sie trug einen flachen, schwarzen Hut mit zwei Gänseblümchen aus Plastik im ausgefransten Hutband. Dazu war sie in so viele Lagen Stoff vermummt, daß es schien, als lege sie die alten Kleider nie ab, ehe sie sich mit neuen schmückte. Sie kramte in ihren diversen Röcken, zog ein schmutziges Bündel Flugblätter hervor, das von einem Bindfaden zusammengehalten wurde, und machte sich ans Verteilen.
    «’ne Schraube locker, bei der da», flüsterte ein

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