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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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mir das hier gekauft.» Er strich über die Lederjacke, die er anhatte, ganz zart, als wäre sie aus Blattgold. «So eine wollte ich schon immer.»
    «Wie schön, daß du jetzt eine hast. Deine Schwester muß ziemlich gut bei Kasse gewesen sein, daß sie dir soviel schicken konnte.»
    «Erst seit ein paar Monaten. Da ist sie zu Geld gekommen. Ein Lottogewinn, hat sie gesagt.» Er räusperte sich, neigte den Kopf zur Seite und strich mit der Wange über seine Jacke wie eine Frau über den Kragen ihres Hermelinmantels. Natürlich glaubte auch er nicht, daß seine Schwester im Lotto gewonnen hatte. «Weiter.»
    «Ich sollte irgendwann nach London kommen. Raus aus Gravesend und mir hier in London auf eigene Faust was suchen. Ich habe gesagt: ‹Warum nicht jetzt?› und sie hat gesagt, nein, ich soll erst kommen, wenn sie eine größere Wohnung gefunden hat. Hat gesagt, es liefe alles sehr gut –» Er verstummte und fuhr mit der Hand über die Jacke; so wie sie duftete und sich anfühlte, schien sie ihm Sadie ein wenig zurückzubringen.
    Doch für Sadie war es ganz und gar nicht gut gelaufen. «Und du bist trotzdem gekommen?»
    Er nickte. «Aber bloß für zwei Tage. Und gut zureden mußte ich ihr auch noch.» Wieder dieses aufflackernde Lächeln. «Ich konnte Sadie immer rumkriegen. Auch wenn sie ein ganzes Stück schlauer war als ich.»
    «Und sie hat gesagt, sie würde in ihrer Wohnung auf dich warten.»
    «Genau.» Er ließ sich plötzlich zurückfallen, als ob ihn der Tod mit knöchernem Finger angestupst hätte.
    Jury stand auf, ließ die Zigaretten auf dem Tisch neben Tommy liegen und sagte: «Wir unterhalten uns später noch mal.» Es ging ihm zwar gegen den Strich, aber er mußte es sagen: «Ein Mensch kann sich in fünf Jahren ziemlich verändern, Tommy.»
    Eine lange Pause. Tommy rutschte unbehaglich hin und her, runzelte die Stirn, hob die Schultern und schüttelte ein wenig den Kopf, als könnte er mittels dieser jähen, fahrigen Bewegungen in den Griff bekommen, wonach er suchte. «Sadie hat sich immer mächtig aufgedonnert, den alten Mantel da hätte sie ums Verrecken nicht –»
    Er ließ den Kopf hängen und schob schuldbewußt die neue Jacke von der Schulter, so als hätte jemand an seiner Stelle sehr teuer dafür bezahlen müssen.
    «Das darfst du nicht mal im Traum denken», sagte Jury so hart er konnte.

21
    W APPING O LD S TAIRS war eine doppelte Stufenreihe, die alte kaum mehr als eine Schräge aus Steinen, die mit grünen Flechten und Moos bedeckt waren, so daß man die nach unten führenden Stufen darunter kaum noch ausmachen konnte. Die andere Reihe war neuer und begehbar. Die Slipanlage befand sich in einer Art abschüssigem Schacht, der von zwei hohen Mauern gebildet wurde. Eine davon gehörte zu dem direkt am Wasser gelegenen Pub «Stadt Ramsgate». Der Geschäftsführer konnte sich gar nicht dafür begeistern, daß die Polizei die Straßen abgesperrt hatte; wobei ihn der Mord selbst vermutlich eher begeisterte, denn drinnen würde man im Stehen nicht mehr umfallen können, wenn die Neugierigen, erst einmal durchgelassen, sich an der Bar drängeln und Fragen stellen würden.
    Unglücklicherweise konnten nur wenige Fragen beantwortet werden, da der Pub um elf Uhr zugemacht und kein Mensch etwas gesehen oder gehört hatte, was der Themse-Polizei weitergeholfen hätte, von der jetzt gut ein Dutzend Mann die Wapping High Street in allen Richtungen abklapperte. Ein paar Stunden zuvor waren es mehrere Dutzend gewesen.
    Wiggins musterte die Wassermarken an der Pubmauer. Er stellte Roy Marsh eine Frage über die Gezeiten. Jury stand neben Marsh, und beide hatten sie Mühe, auf der abschüssigen Slipanlage zwischen den Treppen und der hoch aufragenden Mauer der «Stadt Ramsgate» das Gleichgewicht zu wahren. Viel Platz war da nicht, kaum genug für das Dinghi, in dem man die Leiche gefunden hatte.
    «Wenn es nicht vertäut gewesen wäre, die Flut hätte es mitgenommen.»
    Wiggins blickte angsterfüllt auf das Wasser, denn es war so nahe, daß er beinahe nasse Füße bekam. Er machte drei Schritte zurück, die Stufen hoch.
    «Woher stammt das Boot?»
    «Keine Ahnung. Es ist in schlechtem Zustand; man hatte es wohl einfach hiergelassen, um es loszuwerden. Es liegt jetzt bei der Hauptwache vertäut. Wir überprüfen das, aber ich habe es im Gefühl, daß wir damit nicht weit kommen. Sie lag unter einer Persenning. Die Stichverletzungen waren tödlich.»
    Jury kauerte über dem mit Kreide aufgezeichneten

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