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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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finden.
    «Und Sie waren allein?»
    Sie antwortete nicht.
    «Bringt Sie etwas in Schwierigkeiten, was?»
    Als sie nicht reagierte, fragte Jury: «Wann haben Sie Simon Lean zum letztenmal gesehen?»
    Sie hob die Schultern. «Vor ungefähr zwei Monaten.»
    «Wo?»
    Pause. Sie runzelte ein wenig die Stirn. «In den ‹Fünf Glocken›, glaube ich. Das ist in der Three Colt –»
    «Ich bin dagewesen. Wie haben Sie sich kennengelernt?»
    «In meinem Geschäft. Ich habe in South Kensington ein Geschäft für Inneneinrichtung, im Souterrain. Aber ich habe einen guten Ruf. Ich gelte als die verstädterte Laura Ashley.» Sie lächelte boshaft und hielt die Seide hoch. «Inneneinrichtung ist mein wirkliches Talent. Die Wohnung hier ist von mir.» Ihr Blick war humorvoll. «Sie mögen sie nicht.» Sie betrachtete ihn mit schief gelegtem Kopf. «Ganz sicher ist Ihr eigenes Häuschen recht hübsch. Der übliche Vorort. Amersham, Chalfont St. Giles. Chintz und riesige Blattpflanzen. Alles Holz pastellfarben gestrichen und geblümte Tapeten. Tipptopp in Ordnung.»
    «Ich lebe in einer Mietwohnung, und es sieht furchtbar bei mir aus. Wie oft haben Sie sich mit ihm getroffen?»
    «Hmm. Einmal die Woche vielleicht. Immer wenn er in London war.» Ihre Stimme war flach, ausdruckslos.
    «Kaum zu glauben, daß Sie ihn geliebt haben. Sein Tod scheint Sie gänzlich kaltzulassen.»
    «Ich habe ihn auch nicht geliebt. Und in den letzten vierundzwanzig Stunden sind meine Nerven so strapaziert worden, daß ich mir selbst schon wie tot vorkomme.»
    «Hat Simon Lean Sadie Diver gekannt?»
    «Woher soll ich das wissen?»
    «Könnten sie sich kennengelernt haben? Vielleicht in den ‹Fünf Glocken›? Möglich wäre es doch.»
    Sie hob die Schultern. «Nicht daß ich wüßte. Ich habe Ihnen doch schon gesagt –»
    «Und was ist mit Roy Marsh?»
    Das brachte sie tatsächlich aus der Fassung, jedenfalls so weit, daß sie vom Sofa aufstand, sich am Barschrank zu schaffen machte und mit Flaschen klapperte. Hinter seinem Rücken sagte ihre Stimme: «Ich könnte einen gebrauchen. Wollen Sie mir wirklich keine Gesellschaft leisten, Superintendent?»
    «Nein.»
    Mit der gewohnten Fassung und mit einem Schluck Brandy in einem Cognacschwenker nahm sie wieder Platz. «Sie sprachen gerade über den Sergeant?»
    «Über ihn und mit ihm. Ich habe das Gefühl, daß Sie ihn gut kennen.»
    «Ja. Auf dem Limehouse Causeway liegt nämlich nicht alle Tage eine Leiche herum. Oder in Wapping, um genauer zu sein.»
    «Und hat Sergeant Marsh Simon Lean gekannt?»
    Sie kippte den Brandy in einem Zug. «Ja.»
    Jury lächelte. Sie nicht. In dem Blick, den sie ihm zuwarf, lag der bislang erste echte Schimmer von Gefühl.
    «Wie lange hatte Sadie diese Wohnung schon?»
    «Keine Ahnung. Ich habe sie nicht gekannt, außer vom Sehen – wie sollte ich auch.»
    «Warum hat Sergeant Marsh Sie dann gebeten, bei der Identifizierung behilflich zu sein? Wo Sie Sadie doch nicht gekannt haben.»
    «Er hat mich nicht darum gebeten. Ich dachte nur, man sollte Tommy dabei nicht allein lassen.»
    «Was wissen Sie über Mrs. Lean? Ich meine, was hat er Ihnen erzählt?»
    «Sehr wenig; ich mag es nicht, wenn Männer über ihre Frauen reden. Simon dachte da anscheinend anders. Hat Ihnen seine Frau von mir erzählt?»
    «Nicht direkt.» Jury zog den angesengten Brief aus der Tasche. «Das hat mich hergeführt, jedenfalls das, was noch davon übrig ist.»
    Ruby warf einen Blick auf die Schnipsel. «Ich habe Simon keine Briefe geschrieben.»
    «Mrs. Lean wußte noch, daß der Poststempel E eins oder E vierzehn gewesen war.»
    Ihr Ton war trocken, doch ihre Miene entspannte sich, als sie sagte: «Na, wenn das nicht interessant ist. Ist sie in Autonummern auch so gut?» Sie gab Jury den Brief zurück.
    «Erzählen Sie mir von dem Bruder.»
    «Er wollte sie gerade besuchen. Ihre Wohnung war abgeschlossen, und das war komisch, schließlich erwartete sie ihn. Also habe ich ihm geholfen reinzukommen.»
    In der Ferne hörte Jury Schritte. «Wie haben Sie denn das geschafft?»
    «Mit einer Kreditkarte.»
    Er grinste breit. «Au Backe.» Dann blickte er auf und sah den Jungen im dämmrigen Türbogen stehen.
     
     
    Seine Augen hatten den Braunton der Teepackungen aus dem Hinterzimmer der «Fünf Glocken»; sie sahen im Augenblick genauso alt und verbraucht aus. Seine Lider waren geschwollen. Das glanzlose, braune Haar war ungekämmt, sein Hemd zerknittert und nachlässig in die Jeans gestopft. Alles was

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