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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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kümmern. «Es gibt welche, die halt’n zu ihre Verwandtschaft, was auch immer los iss, und welche, die zieh’n gleich Leine, wenn’s Schicksal zuhaut. Die Withersbys sind nich so, die ham keine Angst nich zuzugeb’n, wenn einer von sie was falsch gemacht hat. Nee, die nich. Iss ja wohl nich drin, daß welche, die nich im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienen, da mithalt’n könn’n! Und nu seh’n Se sich das Schlamassel an, wo Long Pidd jetzt drin iss, M’lord.»
    Mittlerweile verstand sich Melrose recht gut darauf, Mrs. Withersbys Botschaften zu dechiffrieren, die so allgemein gehalten waren, daß sie alle Eventualitäten abdeckten. Dieses Mal konnte sowohl der gerade verübte Mord als auch das Schwein-Fahrrad-Debakel gemeint sein. Falls es letzteres war, dann wollte sie obendrein damit sagen, daß beide recht hatten, Lady Ardry und auch der Schlachter Jurvis. Melrose aber hatte auf jeden Fall unrecht. Alles klang geheimnisvoll und wurde im drohenden Tonfall vorgebracht, mit dem Zweck natürlich, Melrose ein Bier abzuwingen. Hatte sie doch lange genug unter seiner Feudalherrschaft und dem völligen Mangel an Fürsorge für seine Untertanen leiden müssen. Sie hatte es sich also redlich verdient.
    «Einen Donnerschlag für Mrs. Withersby, Dick, sind Sie so nett?» Dick schien es nichts auszumachen, daß die Aufwartung im Dienst trank, solange jemand dafür bezahlte; vor allem dann, wenn es sich dabei um sein sagenhaftes Gebräu handelte. Als sie ihr Quantum erhalten hatte, verzog sich Mrs. Withersby, und Melrose atmete auf.
    An einem Tisch saßen Diane Demorney und Theo Wrenn Browne. Seine Haut spannte sich über seinen feinen Gesichtsknochen wie bei einem Brandopfer. Macht ihm wohl Mut, dachte Melrose bei sich. Sogar Marshall Trueblood, sonst eher ein Hasenfuß, blickte der Gefahr weitaus gefaßter ins Auge als Browne.
    Trueblood wiederum wollte Browne nicht ins Auge blicken (dieser kleine Widerling) , denn er hatte sich auf die andere Seite des Tisches begeben und kehrte dem Pärchen ostentativ den Rücken zu.
    Vor zwanzig Minuten war Joanna Lewes hereingekommen und hatte sich einen doppelten Brandy bestellt, den sie zu einem Tisch in der Ecke mitgenommen und in zwei Schlucken gekippt hatte.
    Melrose ging hinüber. «Darf ich mich einen Augenblick zu Ihnen setzen?»
    «Und mich in Widersprüche verwickeln», sagte sie, blätterte in den Seiten eines Manuskripts herum und bearbeitete sie mit dem Bleistift. «Wollen Sie das nächste Kapitel der Heather-Quick-Geschichte hören?»
    Melrose wollte schon den Mund aufmachen und eine Art Entschuldigung vorbringen, doch sie fuhr fort: «Immer noch angenehmer, als von der Northants-Polizei in die Mangel genommen zu werden. Nicht etwa, daß die mehr herausgefunden hätten als Ihr Superintendent. Aber ich will mich nicht beklagen; ich habe daraus gut ein Drittel eines Buches geschlagen. Unser kleines Tête-à-tête vor zwei Tagen hat mir sozusagen das Rohmaterial geliefert.» Heftiges Blättern. «Nicht etwa, daß ich eine Überarbeitung vornehme, aber in diesem Fall frage ich mich doch, wie nahe Heather wohl der Anklagebank kommt?» Sie knallte den Bleistift hin. «Wenn Heather sich lächerlich machen kann, dann sollte auch ihre Erfinderin dieses Privileg genießen. Und da sogar Theo Wrenn Browne im Sommerhaus war wie ein mieser kleiner Dieb, erbaue ich mich an dem Ganzen, soweit das unter diesen Umständen möglich ist. Sehen Sie doch nur, wie er sich an ihrer Schulter ausweint. Ein schöner Trost bei einer so kalten Schulter … Und welche Rolle spielt sie eigentlich, möchte ich wissen?» Joanna seufzte. «Wenn die Polizei die Sache doch endlich auf die Reihe bekommen würde. Mein Abgabetermin rückt näher.»
    Melrose überlegte, ob sie deswegen so auf das Ende der Untersuchung brannte, weil ihr soviel Zeit gestohlen wurde, oder weil sie das Ende nicht kannte und deshalb ihrer Heather-Quick-Geschichte nicht den letzten Schliff geben konnte.
    Vivian sagte zu Trueblood, er solle froh sein, daß Theo Wrenn Browne die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und damit von ihm, Marshall, abgezogen habe. «Habe ich nicht recht, Melrose? Obwohl ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen kann, daß Theo Wrenn Browne –»
    «Ha! Wer es schafft, eine signierte Ausgabe zu stibitzen und neu zu binden, der ist zu allem fähig, zu Mord oder zum nachträglichen Kolorieren von Casablanca .» Er war fast wieder der alte und wie aus dem Ei gepellt, trug ein erlesen geschnittenes,

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