Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
holte Rebus zu einem weiteren, noch wütenderen Schlag aus, was Jack mehr als genügend Zeit ließ auszuweichen und seinerseits zuzuschlagen. Fast hätte Rebus den Fausthieb abgewehrt, dann überlegte er es sich anders. Er wartete einfach den Treffer ab. Jack hatte tief gezielt - die Art Schlag, mit der man jemandem die Luft ablassen kann, ohne sonstigen Schaden anzurichten. Rebus klappte zusammen, fiel auf Hände und Knie und kotzte ins Gras. Er würgte noch eine Zeit lang weiter, selbst als es nichts mehr auszuspucken gab. Und dann begann er zu weinen. Weinte um sich selbst und um Lawson Geddes und vielleicht sogar um Lenny Spaven. Und vor allem um Elsie Rhind und all ihre Leidensgenossinnen, um all die Opfer, die er nicht hatte retten und denen er niemals würde helfen können.
Jack saß, die Arme auf den Knien, einen knappen Meter von ihm entfernt auf dem Boden. Er keuchte und schwitzte, zog sich das Jackett aus. Rebus schien mit dem Heulen gar nicht mehr aufhören zu können. An seinen Nasenlöchern blubberten Rotzblasen, Speichelfäden schlierten ihm aus dem Mund. Dann spürte er, dass das Zittern allmählich nachließ, schließlich ganz aufhörte. Er ließ sich auf den Rücken fallen und lag, einen Arm über der Stirn, heftig atmend da.
»Jesus«, sagte er, »das war nötig.«
»Seit ich ein Teenager war, hab ich mich nicht mehr so geprügelt«, sagte Jack. »Fühlst du dich besser?«
»Viel besser.« Rebus zog ein Taschentuch heraus, wischte sich Augen und Mund ab, putzte sich die Nase. »Tut mir Leid, dass ausgerechnet du das sein musstest.«
»Besser ich als irgendein unschuldiger Unbeteiligter.«
»Das trifft es ziemlich genau.«
»Ist das der Grund, warum du trinkst? Damit so was nicht passiert?«
»Herrgott, Jack, ich weiß es nicht. Ich trinke, weil ich das schon immer getan habe. Ich mag es; ich mag den Geschmack und das Gefühl, ich mag Pubs.«
»Und du magst es, ohne Träume zu schlafen?« Rebus nickte. »Das vor allem.«
»Da gibt es auch andere Möglichkeiten, John.«
»Kommt jetzt das Verkaufsgespräch für die Schnapskirche?«
»Du bist ein großer Junge, du kannst dich selbst entscheiden.« Jack stand auf, zog dann Rebus hoch.
»Ich wette, wir sehen wie zwei Penner aus.«
»Tja, also du siehst wie einer aus. Bei mir weiß ich es nicht so genau.«
»Wie aus dem Ei gepellt, Jack, du siehst wie aus dem Ei gepellt aus.« Jack berührte Rebus an der Schulter. »Okay jetzt?«
Rebus nickte. »Es ist bescheuert, aber ich fühl mich so gut wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Komm, laufen wir ein Stück.«
Sie machten kehrt und schlenderten wieder in Richtung Krankenhaus. Jack fragte nicht, wo sie hingingen. Aber Rebus hatte durchaus ein Ziel im Auge: die Universitätsbibliothek am George Square. Als sie ankamen, war sie gerade am Schließen, und die hinausströmenden Studenten bildeten, Mappen an die Brust gepresst, vor ihnen eine breite Gasse bis zum Ausgabeschalter.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein Mann und sah sie von oben bis unten an. Aber Rebus ging um den Tresen herum und auf eine junge Frau zu, die über einen Stapel Bücher gebeugt stand.
»Hallo, Neil.«
Sie hob den Kopf, erkannte ihn zunächst nicht. Dann wich ihr alles Blut aus dem Gesicht.
»Was ist passiert?«
Rebus hob eine Hand. »Brian geht's gut. Jack und ich... also, wir...«
»Sind gestolpert und hingefallen«, sagte Jack.
»Sie sollten keine Pubs mit Treppen frequentieren.« Jetzt, wo sie wusste, dass Brian nichts passiert war, gewann sie rasch ihre Fassung zurück und damit auch ihren Argwohn. »Was wollen Sie?«
»Kurz mit Ihnen reden«, sagte Rebus. »Vielleicht draußen?«
»In fünf Minuten bin ich hier fertig.« Rebus nickte. »Wir warten.«
Sie gingen nach draußen. Rebus wollte sich eine Zigarette anzünden, stellte aber fest, dass das Päckchen zerdrückt, der Inhalt unbrauchbar war.
»Mist, gerade wenn ich eine brauchte!«
»Jetzt weißt du, wie das ist, wenn man mit dem Rauchen aufhört.«
Sie setzten sich auf die Außentreppe und starrten auf die George Square Gardens und die Gebäude, die den Platz säumten: ein Mischmasch aus Alt und Neu.
»Man spürt förmlich die ganze Gehirnpower in der Luft«, kommentierte Jack.
»Heutzutage besteht das CID zur Hälfte aus Studierten.«
»Und ich wette, die gehen nicht mit Fäusten auf ihre Freunde los.«
»Ich hab doch gesagt, es tut mir Leid.«
»War Sammy eigentlich auf der Uni?«
»College. Ich glaube, sie hat was mit Verwaltung studiert.
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