Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
sollte.«
Rebus nickte verständnisvoll. »Deswegen fühlten Sie sich mit Mitch verbunden?«
»Genau.«
»Und haben ihm wiederum Ihre Geschichte erzählt?«
»Quidproquo.«
»Einschließlich der Identität Ihres Vaters?« Sie wollte schon nicken, bremste sich dann aber und schluckte stattdessen. »Damit erpresste er also Ihren Vater - mit der Inzestgeschichte.«
»Ich weiß nicht. Mitch starb, bevor ich es rauskriegen konnte.«
»Aber das war seine Absicht gewesen?« Sie zuckte die Achseln. »Vermute ich.«
»Jo, ich glaube, wir werden eine Aussage von Ihnen brauchen. Nicht jetzt, später. In Ordnung?«
»Ich denk drüber nach.« Eine Pause. »Wir können nichts beweisen, stimmt's?«
»Noch nicht.« Vielleicht werdens wir's auch nie, dachte er. Er rutschte aus der Sitzbank, Jack nach ihm. Draußen brannte immer noch das Lagerfeuer. Kerzenlicht flackerte in Lampions, die zwischen den Bäumen hingen. Die Gesichter hatten einen leuchtenden Orangeton angenommen, wie Kürbisse. Joanna Bruce lehnte wie zuvor an der unteren Türhälfte und sah ihnen nach. Rebus wandte sich zum Abschied noch einmal um.
»Werden Sie noch eine Weile hier kampieren?«
Sie zuckte die Achseln. »Bei unserer Lebensweise... wer weiß?«
»Gefällt Ihnen das?«
Sie dachte über die Frage nach. »Es ist... eine Art zu leben.« Rebus lächelte, wandte sich ab.
»Inspector!«, rief sie ihm nach. Er drehte sich wieder um. Das Kajal lief ihr in schwarzen Schlieren über die Wangen. »Wenn alles angeblich so wunderbar ist, wie kommt's dann, dass alles so beschissen ist?«
Rebus hatte darauf keine Antwort. »Lassen Sie sich von der Sonne nicht beim Heulen erwischen«, sagte er stattdessen.
Während der Rückfahrt versuchte er, sich ihre Frage selbst zu beantworten, und stellte fest, dass er das nicht konnte. Vielleicht ging es nur ums Gleichgewicht, um Ursache und Wirkung. Wo Licht war, musste es zwangsläufig auch Schatten geben. Das klang wie der Anfang einer Predigt, und er konnte Predigten nicht ausstehen. Deshalb versuchte er es mit seinem persönlichen Mantra: Miles Davis, »So What?«. Bloß klang das »Na und?« im Augenblick nicht so wahnsinnig intelligent. Es klang ganz und gar nicht intelligent.
Jack starrte finster vor sich hin. »Warum ist sie damit bloß nie zur Polizei gegangen?«
»Weil es uns ihrer Meinung nach gar nichts angeht. Es ging nicht mal Mitch etwas an, er ist da nur versehentlich reingeraten.«
»Hörte sich eher so an, als sei er da reingebeten worden.«
»Eine Einladung, die er besser ausgeschlagen hätte.«
»Glaubst du, es war Major Weir?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, ob's überhaupt noch eine Rolle spielt. Der kann nicht entwischen.«
»Wie meinst du das?«
»Er sitzt in dieser kleinen privaten Hölle, die sie für sie beide konstruiert hat. Solang er weiß, dass sie sich irgendwo da draußen rumtreibt und gegen alles demonstriert, was ihm am Herzen liegt... das ist seine Strafe und ihre Rache. Da kommt keiner von beiden raus.«
»Väter und Töchter, hm?«
»Väter und Töchter«, pflichtete ihm Rebus bei. Und Sünden aus der Vergangenheit. Und die Tatsache, dass sie sich in der Regel nicht von selbst verflüchtigten...
Als sie am Hotel ankamen, waren sie ziemlich fertig.
»'ne Runde Golf?«, schlug Jack vor.
Rebus lachte. »Mehr als Kaffee und 'ne Runde Stullen würde ich momentan wohl nicht bewältigen.«
»Klingt gut. Bei mir, in zehn Minuten.«
Ihre Zimmer waren inzwischen gemacht worden: frische Pralinen auf dem Kissen, saubere Bademäntel auf den Betten. Rebus zog sich schnell um, rief dann die Rezeption an, um zu hören, ob es irgendwelche Nachrichten für ihn gebe. Er hatte vorher nicht gefragt - Jack sollte nicht erfahren, dass er welche erwartete.
»Ja, Sir«, zwitscherte die Frau an der Rezeption. »Ich habe eine telefonische Nachricht für Sie.« Rebus' Herz schlug schneller: Sie war nicht einfach abgehauen. »Soll ich Sie Ihnen vorlesen?«
»Bitte.«
»Sie lautet: >Burke's, halbe Stunde nach Geschäftsschluss. Hab eine andere Zeit, einen anderen Ort versucht, aber er wollte nicht.‹ Kein Name.«
»Ist in Ordnung, danke.«
»Jederzeit zu Diensten, Sir.«
Versteht sich: Geschäftskonto. Die ganze Welt kroch einem in den Hintern, wenn man ein Unternehmen hinter sich hatte. Er wählte die Amtsleitung, versuchte es bei Siobhan zu Hause, wieder nur der AB. Probierte es in St. Leonard's, erfuhr, sie sei nicht da. Versuchte es erneut bei ihr zu Hause, entschlossen, ihr
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