Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
kommen.« Rebus ging in die Diele und sammelte seine Post auf. Ein Umschlag war dicker als die Übrigen. In London abgestempelt. Er riss ihn auf, während er in die Küche ging. Innen befand sich ein zweiter dicker Umschlag, auf dem in Druckbuchstaben sein Name und seine Adresse standen. Außerdem ein kurzer Begleitbrief. Rebus setzte sich an den Tisch, um ihn zu lesen.
Er war von Lawson Geddes' Tochter.
Mein Vater hinterließ den beigefügten Umschlag mit der Anweisung, ihn an Sie weiterzuleiten. Ich bin gerade aus Lanzarote zurück, wo ich nicht nur die Bestattung, sondern auch den Verkauf des Hauses meiner Eltern sowie die ganze Haushaltsauflösung organisieren musste. Wie Sie sich erinnern werden, war Dad, was seinen Sammeltrieb anbelangte, eine richtige Elster. Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, mit der ich dies an Sie schicke, aber ich bin zuversichtlich, dass Sie dafür Verständnis haben werden. In der Hoffnung, dass es Ihnen und Ihrer Familie gut geht, verbleibe ich ...
Unterschrieben war der Brief mit »Aileen Jarrold (geb. Geddes)«.
»Was ist das?«, fragte Jack, als Rebus den zweiten Umschlag aufriss. Rebus las die ersten paar Zeilen, sah dann zu Jack auf.
»Das ist ein sehr langer Abschiedsbrief«, sagte er. »Von Lawson Geddes.« Jack setzte sich, und sie lasen ihn gemeinsam.
John, ich schreibe dies im vollen und sicheren Bewusstsein dessen, dass ich kurz davor stehe, mir das Hirn wegzupusten: Wir nannten das früher immer den Ausweg des Feiglings, weißt du noch? Jetzt bin ich mir
diesbezüglich nicht mehr so sicher, hab vielmehr das Gefühl, dass ich eher eigensüchtig als feige handle, eigensüchtig, weil ich weiß, dass das Fernsehen Spaven wieder ausgegraben hat - die Typen haben sogar ein
Team auf die Insel geschickt. Aber das Problem ist nicht Spaven, sondern Etta. Sie fehlt mir, und ich möchte bei
ihr sein, selbst wenn das »Jenseits« lediglich darin bestehen sollte, dass meine Knochen irgendwo neben ihren liegen .
Während Rebus las, schmolzen die Jahre wieder dahin. Er meinte, Lawsons Stimme zu hören und ihn in die Wache hereinstolzieren oder in einen Pub marschieren zu sehen, als sei er der Wirt höchstpersönlich: für jeden ein Wort, ob er ihn nun kannte oder nicht... Jack stand kurz auf und kehrte mit zwei Bechern Kaffee zurück. Sie lasen weiter.
Jetzt, wo Spaven tot ist und ich bald aus dem Weg geräumt sein werde, bleibst nur noch du übrig. Die Vorstellung, dass die Fernsehgeier sich jetzt auf dich stürzen werden, gefällt mir ganz und gar nicht. Ich weiß, dass du mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hattest. Also schreibe ich jetzt diesen Brief, nach all den Jahren, und vielleicht wird dadurch einiges klarer. Zeig ihn, wem immer du möchtest. Es heißt, Sterbende würden nicht lügen, und vielleicht wird man das Folgende als die Wahrheit akzeptieren - so wie ich sie kenne. Ich kannte Lenny Spaven schon seit meiner Zeit bei den Scots Guards. Dauernd stellte er irgendwas an und handelte sich Arreststrafen ein; ein paar Mal landete er sogar im Bunker. Gleichzeitig war er ein Drückeberger , und so freundete er sich mit dem Feldgeistlichen an. Spaven ging jeden Sonntag in die Kirche (ich sage
»Kirche«, aber in Borneo war es ein Zelt, in der Heimat eine Wellblechhütte). Aber wahrscheinlich können im Angesicht des Herrn die verschiedensten Orte eine Kirche sein. Vielleicht frage ich ihn bei Gelegenheit, wenn ich Ihn sehe. Draußen sind's mehr als dreißig Grad, und ich trinke Feuerwasser - das gute alte usquebaugh. Es
schmeckt besser denn je .
Rebus spürte plötzlich den scharfen Geschmack von Whiskey an seinem Gaumen; das Gedächtnis spielte ihm Streiche. Lawson hatte früher immer Cutty Sark getrunken.
Spaven ging dem Geistlichen zur Hand, legte die Gesangbücher auf die Stühle und zählte sie am Schluss immer nach. Ich brauch dir ja nicht zu sagen, dass es bei der Army gewissenlose Kerle gibt, die nichts Eiligeres zu tun haben, als sich ein Gesangbuch unter den Nagel zu reißen... Regelmäßige Kirchgänger gab's nicht viele. Wenn's brenzlig wurde, ließen sich ein paar mehr blicken und beteten darum, dass sie das Spielfeld nicht in einer Kiste verlassen mussten. Naja, wie gesagt, Spaven schob eine ruhige Kugel. Ich hatte weder mit ihm noch mit sonst einem von den Kirchenheinis groß was zu tun .
Dann aber, John, passierte ein Mord: eine Prostituierte, in der Nähe unseres Lagers. Ein Eingeborenenmädchen aus dem kampong. Die Dorfbewohner gaben
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