Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
fast achtzehn Monaten - dann, August 1969, Opfer Nummer zwei. Und zweieinhalb Monate später sein dritter und letzter Jagdausflug. Opfer eins und drei waren in einer Donnerstagnacht getötet worden, das zweite Opfer an einem Sonnabend. Achtzehn Monate waren eine verdammt lange Pause. Rebus kannte die diesbezüglichen Theorien: dass er sich in der Zwischenzeit in Übersee aufgehalten habe, vielleicht als Seemann auf einem Frachter, vielleicht als Angehöriger der Kriegsmarine oder auf irgendeinem Stützpunkt des Heeres oder der Royal Air Force; dass er wegen irgendeiner eher geringfügigen Straftat im Gefängnis gesessen hatte. Aber eben nur Theorien, eine wie die andere. Alle Opfer waren Mütter gewesen; von Johnny Bibles Opfern bislang noch keines. War es von Bedeutung, dass Bible Johns Opfer alle gerade menstruiert oder dass sie Kinder hatten? Seinem dritten Opfer hatte er eine Monatsbinde in die Achselhöhle gesteckt - eine rituelle Handlung. In diese Handlung hatten die an dem Fall beteiligten Psychologen eine Menge hineingelesen. Ihre Theorie: Die Bibel erklärte Bible John, dass Frauen Huren waren, und die Bestätigung dafür erhielt er jedes Mal, wenn eine verheiratete Frau ein Tanzlokal mit ihm verließ. Die Tatsache, dass sie ihre Regel hatte, machte ihn irgendwie wütend, stachelte seine Blutgier an, also tötete er sie.
Rebus wusste, dass etliche Leute keinen anderen Zusammenhang zwischen den drei Morden sahen als gewisse äußerliche Übereinstimmungen. Sie gingen von drei verschiedenen Tätern aus, und es stimmte schon, dass alle Parallelen, die die Morde aufwiesen, rein zufälliger Natur sein konnten. Rebus, ganz allgemein kein großer Anhänger von Zufallstheorien, glaubte weiterhin an einen einzigen, zwanghaft tötenden Killer.
Bei den Ermittlungen hatten einige hervorragende Polizisten mitgewirkt: Tom Goodall, der Mann, der Jimmy Boyle gejagt hatte und bei Peter Manuels Geständnis dabei gewesen war. Dann, als Goodall starb, waren Elphinstone Dalgliesh und Joe Beattie dazugestoßen. Beattie hatte stundenlang Fotos von Verdächtigen angestarrt, manchmal sogar durch ein Vergrößerungsglas. Er war davon überzeugt gewesen, dass er Bible John, wenn er in einen Raum voller Menschen getreten wäre, sofort erkannt hätte. Bei manchen Beamten war der Fall zu einer regelrechten Obsession geworden, und sie waren immer tiefer abgerutscht. So viel Arbeit investiert, und keinerlei Resultat. Es machte sie, ihre Methoden, ihr ganzes System lächerlich. Er dachte wieder an Lawson Geddes...
Rebus hob die Augen und bemerkte, dass er von der Tür aus beobachtet wurde. Als die zwei Männer eintraten, stand er auf.
Aldous Zane, Jim Stevens.
»Was gefunden?«, fragte Rebus.
Stevens zuckte die Schultern. »Wir sind erst noch am Anfang. Aldous hatte ein paar Ideen.« Er reichte Rebus die Hand, lächelte. »Sie erinnern sich doch an mich?« Rebus nickte. »Vorhin auf dem Korridor war ich mir nicht sicher.«
»Ich dachte, Sie wären in London.«
»Ich bin seit drei Jahren zurück. Jetzt arbeite ich hauptsächlich als Freier.«
»Und schieben Wachdienst, wie ich sehe.«
Rebus warf Aldous Zane einen Blick zu, aber der Amerikaner hatte nicht zugehört. Er bewegte die Handflächen über die Akten auf dem Schreibtisch, der ihm am nächsten stand. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann mittleren Alters. Er trug eine Nickelbrille mit blau getönten Gläsern, und seine leicht geöffneten Lippen ließen kleine, schmale Zähne erkennen. Er erinnerte Rebus ein bisschen an Peter Seilers in der Rolle des Dr. Seltsam. Über dem Jackett trug er eine dünne Nylon-Windjacke, die bei jeder seiner Bewegungen raschelte.
»Was ist das?«, fragte er.
»Bible John. Johnny Bibles Vorfahr. In seinem Fall wurde ebenfalls ein Hellseher hinzugezogen, Gerard Croiset.«
»Der Paragnost« , sagte Zane ruhig. »Konnte er der Polizei helfen?«
»Er beschrieb einen bestimmten Ort, zwei Ladenbesitzer, einen alten Mann, der sachdienliche Hinweise liefern könnte.«
»Und?«
»Und«, unterbrach Jim Stevens, »ein Reporter fand eine Stelle, die mit der Beschreibung übereinzustimmen schien.«
»Aber keine Ladenbesitzer«, fügte Rebus hinzu, »und kein alter Mann.« Zane sah auf. »Zynismus bringt niemanden weiter.«
»Sagen wir, ich bin Par-Agnostiker.«
Zane lächelte und reichte Rebus die Hand. Als Rebus sie ergriff, spürte er eine unglaubliche Wärme. Ein Kribbeln lief ihm den Arm hinauf.
»Unheimlich, nicht?«, sagte Jim Stevens, als
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