Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
könnte er Rebus' Gedanken lesen.
Rebus deutete mit einer ausholenden Geste auf das Material auf den vier Schreibtischen. »Also, Mr. Zane, spüren Sie irgendetwas?«
»Nur Trauer und Leiden, ziemlich viel von beidem.« Er nahm eines der neueren Phantombilder Bible Johns in die Hand. »Und ich meinte, Fahnen zu sehen.«
»Fahnen?«
»Das Sternenbanner, eine Hakenkreuzfahne. Und einen Schrankkoffer voller Dinge...«Er hatte die Augen geschlossen, seine Lider flatterten. »Auf dem Dachboden eines modernen Hauses.« Die Augen öffneten sich.
»Das ist alles. Es liegt in weiter Ferne, in weiter Ferne.«
Stevens hatte seinen Notizblock gezückt. Er stenographierte rasch mit. Jetzt stand jemand anderes in der Tür und sah die Versammlung überrascht an.
»Inspector«, sagte Chick Ancram, »Zeit zum Lunch.«
Sie nahmen einen Dienstwagen und fuhren ins Westend; Ancram saß am Steuer. Er schien irgendwie verändert, gab sich Rebus gegenüber interessierter und zugleich misstrauischer. Ihre Konversation entwickelte sich allmählich zu einem Schlagabtausch.
Schließlich zeigte Ancram auf einen gestreiften Pylonen, der die einzige noch vorhandene Parklücke an der Straße versperrte.
»Räumen Sie das Ding doch eben mal beiseite, ja?«
Rebus stieg aus und stellte den Plastikkegel auf den Bürgersteig. Ancram parkte zentimetergenau ein.
»Sieht so aus, als hätten Sie Übung darin.«
Ancram zog den Schlips gerade. »Kundenparkplatz.«
Sie betraten das Lokal. Die »Lobby« war eine trendige Bar mit vielen hohen, unbequem aussehenden Barhockern, schwarz-weiß gekachelten Wänden und von der Decke herabhängenden Elektro- und akustischen Gitarren.
Hinter dem Tresen gab eine Schiefertafel die Angebote des Tages bekannt. Drei Angestellte bemühten sich, den mittäglichen Andrang zu bewältigen; mehr Parfüm als Alkohol in der Luft. Büromädchen, die mit schrillen Stimmen den Lärmteppich der Musik übertönten und sich an knallbunten Drinks festhielten; gelegentlich in Begleitung von ein, zwei Männern - lächelnd, schweigend, älter. Sie trugen Anzüge, die förmlich »Management« schrien: die Chefs der Girls. Auf den Tischen sah man mehr Handys und Pager als Gläser; selbst die Bedienungen schienen damit bestückt zu sein.
»Was nehmen Sie?«
»Starkbier, großes.«
»Zu essen?«
Rebus überflog die Speisekarte. »Gibt's irgendwas mit Fleisch?«
»Wildpastete.«
Rebus nickte. Sie standen erst in zweiter Reihe vor dem Tresen, aber Ancram gelang es, die Aufmerksamkeit eines Barkeepers zu erregen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und brüllte über die Front von gestylten Mädchenköpfen hinweg seine Bestellung. Die Mädchen drehten sich um und sahen ihn feindselig an: Er hatte sich vorgedrängelt.
»Alles klar, Ladys?«, grinste Ancram aggressiv. Sie wandten sich wieder ab.
Er führte Rebus in eine abgelegene Ecke der Bar, wo ein Tisch unter der Last vegetarischer Kost ächzte: Salate, Quiche, Guacamole. Rebus besorgte sich einen Stuhl; für Ancram stand schon einer bereit. Am Tisch saßen drei CID-Beamte, kein einziger mit einem Pint-Glas vor sich. Ancram übernahm die Vorstellung.
»Jack kennen Sie ja schon.« Jack Morton nickte und kaute weiter an seiner Pitta. »Das sind DS Andy Lennox und DI Billy Eggleston.« Eher an ihrem Essen interessiert, gaben die zwei Männer einen knappen Gruß von sich. Rebus sah sich um.
»Wo bleiben die Getränke?«
»Geduld, Mann, Geduld. Da kommen sie schon.«
Der Barkeeper näherte sich mit einem Tablett: Rebus' Bier und Wildpastete; Ancrams Räucherlachssalat und Gin Tonic.
»Zwölf Pfund zehn«, sagte der Barkeeper. Ancram gab ihm drei Fünfer und sagte, er könne den Rest behalten. Er prostete Rebus zu.
»Auf uns.«
»Wer ist wie wir?«, fügte Rebus hinzu.
»Herzlich wenige«, vollendete Jack Morton den traditionellen Trinkspruch, »und die sind alle tot«, und hob seinerseits ein Glas, dessen Inhalt allerdings verdächtig nach Wasser aussah. Sie tranken, machten sich dann wieder ans Essen und tauschten dabei den neuesten Revierklatsch aus. Einer der benachbarten Tische war mit Büromädchen bestückt; Lennox und Eggleston versuchten immer wieder mal, sie in die Unterhaltung einzubeziehen. Die Mädchen ließen sich von ihrem eigenen Klatsch nicht ablenken. Kleider, dachte Rebus philosophisch, machen eben doch nicht unbedingt Leute. Er fühlte sich beengt, unbehaglich. Auf dem Tisch war nicht genug Platz; sein Stuhl stand zu dicht neben Ancrams; die Musik
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