Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
verlieren. Ein Megaphon gab die Texte für die Sprechchöre vor. Man sah Demonstranten in voller Kampfmontur mit Strahlenschutzhaube, andere, die als Meerjungfrauen und Meermänner verkleidet waren, und dazu einen aufblasbaren Wal, der, vom Wind hin und her gezerrt, sich von seinen Haltetauen loszureißen drohte. Uniformierte Polizeibeamte beobachteten die Demo, sprachen in ihre Funkgeräte. Rebus vermutete, dass irgendwo in der Nähe ein Einsatzwagen mit der schwereren Artillerie wartete: Schutzschilden, Schutzhelmen, Schlagstöcken American Style... Nach so einer Demo sah es allerdings nicht aus - noch nicht.
»Wir müssen zwischen denen durch«, sagte Minchell. »Das hasse ich. Wir geben Millionen für den Umweltschutz aus. Ich bin sogar Mitglied bei Greenpeace, Oxfam, was Sie nur wollen. Aber jedes Jahr ist es wieder die gleiche Scheiße.« Er griff sich Aktenkoffer und Handy, schloss mit der Fernbedienung den Wagen ab, aktivierte die Alarmanlage und marschierte in Richtung Eingang los.
»An sich kommt man nur mit dem offiziellen Teilnehmerschildchen rein«, erklärte er. »Aber zeigen Sie einfach Ihre Dienstmarke oder sonst was. Wird schon keine Probleme geben.«
Sie näherten sich jetzt der Hauptdemo. Eine tragbare Verstärkeranlage lieferte Hintergrundmusik, ein Song über Wale. Rebus erkannte den Gesangsstil: die Dancing Pigs. Mehrere Leute hielten ihm Flugblätter hin. Er nahm von jedem eins und bedankte sich. Eine junge Frau lief wie ein eingesperrter Panther vor ihm auf und ab. Sie war die Herrin des Megaphons. Ihre Stimme klang nasal und nordamerikanisch.
»Was heute entschieden wird, müssen unsere Urenkel ausbaden! Die Zukunft ist nicht verkäuflich! Sie gehört uns allen!«
Als Rebus an ihr vorüberging, sah sie ihn an. Ihr Gesicht war ohne jeden Ausdruck: weder hasserfüllt noch vorwurfsvoll, nur bei der Sache. Das gebleichte Haar trug sie zu Ethnozöpfen geflochten, durch die sich bunte Schnüre wanden; eine davon hing ihr mitten auf die Stirn.
»Tötet die Meere, und ihr tötet den Planeten! Für Mutter Erde, gegen die Profitgier!« Rebus war überzeugt, noch ehe er die Tür erreicht hatte.
Im Eingangsbereich stand ein Papierkorb für die Flugblätter bereit. Rebus aber faltete seine zusammen und steckte sie sich in die Tasche. Zwei Sicherheitsbeamte baten ihn um seinen Teilnehmerausweis, aber seine Dienstmarke erwies sich tatsächlich als ausreichend. Etliche weitere Wachleute patrouillierten im Foyer -
privater Sicherheitsdienst, uninformiert. Sie hatten wahrscheinlich einen eintägigen Crashkurs in einschüchternder Höflichkeit absolviert. Ansonsten wimmelte es im Foyer von Anzügen und Kostümen. Lautsprecher gaben laufend Informationen durch. Es gab Modelle, Tische mit Stapeln von Informationsliteratur, Stände, die weiß der Geier was verkauften. Einige davon schienen gute Geschäfte zu machen. Minchell entschuldigte sich und sagte, er würde sich mit Rebus in einer halben Stunde am Ausgang treffen, denn er müsse jetzt ein bisschen shmoozen . Offenbar bedeutete das, Leuten die Hand zu schütteln, sie anzulächeln, ein paar Worte mit ihnen zu wechseln, ihnen in bestimmten Fällen seine Geschäftskarte zu überreichen und dann weiterzugehen. Rebus verlor ihn schnell aus den Augen.
Rebus sah nicht viele Bilder von Bohrinseln, und die paar, die er entdeckte, waren nur Hubplattformen und Halbtaucher. Der eigentliche Knaller schienen die FPSOs zu sein -Floating Production, Storage and Offloading Systems -, schwimmende, aber fest verankerte Riesentanker, durch die man auf Plattformen überhaupt verzichten konnte. Das geförderte Öl wurde direkt in die Tanks des FPSO geleitet und konnte dort in Mengen von bis zu dreihunderttausend Barrels zwischengelagert werden.
»Eindrucksvoll, nicht wahr?«, fragte ihn ein Skandinavier in Vertreteranzug. Rebus nickte.
»Keine Plattform mehr nötig.«
»Und leichter zu verschrotten, wenn's so weit ist. Billig und umweltfreundlich.« Der Mann hielt kurz inne.
»Interessiert, eines zu leasen?«
»Wo könnte ich's schon parken?« Er ging weiter, bevor der Vertreter übersetzen konnte.
Vielleicht war es seine Spürhundnase, aber er fand die Bar ohne jede Schwierigkeit und machte es sich am hinteren Ende des Tresens mit einem Whiskey und einem Schälchen Knabberzeug gemütlich. Sein Mittagessen hatte aus einem Tankstellen-Sandwich bestanden, also langte er zu. Ein Mann näherte sich und blieb neben ihm stehen, wischte sich das Gesicht mit einem riesigen
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