Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
weißen Taschentuch ab und bat um ein Glas Sodawasser mit viel Eis.
»Warum bloß tu ich mir das immer noch an?«, knurrte der Mann mit einem irgendwie zentralatlantischen Akzent. Er war groß und mager, sein rötliches Haar schon etwas schütter. Die schlaffe Haut an seinem Hals entlarvte ihn als Anfang der Fünfzig, obwohl er ansonsten für fünf Jahre jünger hätte durchgehen können. Rebus hatte keine Antwort für ihn parat, blieb also stumm. Als das Wasser kam, kippte der Mann es in einem Zug hinunter und bestellte dann ein zweites. »Einen Drink?«, fragte er.
»Nein, danke.«
Jetzt fiel dem Mann auf, dass Rebus keine Ausweiskarte am Revers trug. »Sind Sie ein Delegierter?« Rebus schüttelte den Kopf. »Beobachter.«
»Von der Presse?«
Wieder schüttelte Rebus den Kopf.
»Dachte ich mir. Erdöl ist nur dann eine Meldung wert, wenn irgendwas schief läuft. Ist größer als die Nuklearindustrie, erhält aber von den Medien nicht halb so viel Beachtung.«
»Das ist doch gut - wenn sowieso nur schlechte Nachrichten gedruckt werden...«
Der Mann ließ sich das durch den Kopf gehen und lachte dann, wobei makellose Zähne zum Vorschein kamen.
»Da haben Sie auch wieder Recht.« Er wischte sich noch einmal das Gesicht ab. »Was beobachten Sie denn nun genau?«
»Momentan habe ich dienstfrei.«
»Sie Glücklicher.«
»Und was tun Sie?«
»Ich racker mich ab. Aber ich muss Ihnen sagen, meine Firma hat's so gut wie aufgegeben, der Erdölindustrie was verkaufen zu wollen. Die Ölheinis machen lieber Geschäfte mit den Yanks oder Skandinaviern. Na, scheiß auf die. Kein Wunder, dass Schottland im Eimer ist... und wir wollen die Unabhängigkeit!« Der Mann schüttelte den Kopf, lehnte sich dann über den Tresen. Rebus tat es ihm nach: Mitverschwörer. »Mein Job besteht größtenteils darin, an langweiligen Kongressen wie diesem hier teilzunehmen. Und dann fahr ich abends nach Haus und frag mich, was das Ganze soll. Bestimmt keinen Drink?«
»Meinetwegen.«
Also ließ sich Rebus von dem Mann einen ausgeben. So wie er »scheiß auf die« gesagt hatte, schien er nicht besonders häufig zu fluchen. Er tat es nur, um das Eis zu brechen, um zu zeigen, dass er von Mann zu Mann sprach; inoffiziell sozusagen, nicht fürs Protokoll. Rebus bot ihm eine Zigarette an, aber sein Freund schüttelte den Kopf.
»Hab's mir vor Jahren abgewöhnt. Nicht, dass ich nicht immer noch versucht wäre....« Er verstummte, sah sich in der Bar um. »Wissen Sie, wer ich gern war?« Rebus zuckte die Schultern. »Na los, raten Sie.«
»Ich hab nicht die leiseste Ahnung.«
»Sean Connery.« Der Mann nickte. »Denken Sie mal drüber nach, bei dem, was er pro Film verdient, könnte er jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind in diesem Land ein Pfund schenken und hätte dann immer noch ein paar Milliönchen übrig. Ist das nicht unglaublich?«
»Wenn Sie also Sean Connery wären, würden Sie jedem ein Pfund schenken?«
»Ich war so was von sexy, was brauchte ich da noch Geld?«
Das war ein gutes Argument, also stießen sie darauf an. Blöd war nur, dass Rebus bei diesen Reden über Sean an Seans Doppelgänger erinnert wurde, Ancram. Er sah auf seine Uhr, stellte fest, dass er gehen musste.
»Kann ich Ihnen noch einen spendieren, bevor ich gehe?«
Der Mann schüttelte den Kopf, zückte dann, wie ein Zauberkünstler, mit einer geschmeidigen Bewegung seine Visitenkarte. »Für den Fall, dass Sie die je brauchen sollten. Ich heiße übrigens Ryan.« Rebus las die Karte: Ryan Slocum, Sales Manager, Abteilung Maschinenbau, und dann ein Firmenname: Eugene Construction.
»John Rebus«, sagte er und reichte Slocum die Hand.
»John Rebus«, wiederholte Slocum nickend. »Keine Visitenkarte, John?«
»Ich bin Polizeibeamter.«
Slocums Augen weiteten sich. »Habe ich irgendwas für mich Belastendes gesagt?«
»Selbst wenn, würd's mich nicht kümmern. Mein Revier ist Edinburgh.«
»Fern der Heimat. Geht's um Johnny Bible?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Er hat doch in beiden Städten getötet, oder?«
Rebus nickte. »Nein, es geht nicht um Johnny Bible. Machen Sie's gut, Ryan.«
»Sie auch. Die Welt ist groß und schlecht.«
»Das können Sie laut sagen.«
Stuart Minchell erwartete ihn schon am Ausgang. »Möchten Sie sonst noch etwas besichtigen, oder sollen wir zurückfahren?«
»Fahren wir.«
Lumsden rief ihn in seinem Zimmer an, und Rebus kam herunter. Lumsden war gut, aber leger angezogen. Anstelle des Blazers trug er ein
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