Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
sich nicht nennenswert von diesem hier unterschied. Brian Mich öffnete ihm praktisch die Wagentür und versuchte, ihm die Hand zu schütteln, während er noch dabei war, den Sicherheitsgurt zu öffnen.
»Lass doch den Mann erst mal aussteigen!«, meinte seine Frau. Sie stand noch immer am Tor, die Arme vor der Brust verschränkt. »Wie ist es dir so ergangen, Johnny?«
Und da begriff Rebus, dass Brian Janice Playfair geheiratet hatte, das einzige Mädchen in seinem langen und an Ärger nicht eben armen Leben, das es fertig gebracht hatte, John Rebus k.o. zu schlagen.
Das schmale, niedrige Zimmer platzte schier aus den Nähten - es waren nicht lediglich Rebus, Brian und Janice da, sondern auch noch Brians Mutter und Mr. und Mrs. Playfair sowie eine ausladende dreiteilige Sitzgruppe und verschiedenerlei Tische und Schrankwände. Erst musste die Vorstellung erledigt, dann Rebus zum »Platz am Kamin« geleitet werden. Das Zimmer war überheizt. Eine Kanne Tee wurde gebracht, und auf dem Tischchen neben Rebus' Sessel lag genügend aufgeschnittener Kuchen, um eine ganze Fußballmannschaft zu verköstigen.
»Der Junge hat was auf dem Kasten«, sagte Janice' Mutter und reichte Rebus ein gerahmtes Foto von Dämon Mich. »Jede Menge Scheine von der Schule. Arbeitet hart. Spart, um zu heiraten.«
Das Foto zeigte einen lächelnden Racker, der noch nicht lang aus der Schule raus war.
»Die neuesten Fotos haben wir der Polizei gegeben«, erklärte Janice. Rebus nickte, er hatte sie in der Akte gesehen. Trotzdem, als man ihm einen Stoß Urlaubsfotos in die Hand drückte, sah er sie langsam durch; das enthob ihn immerhin der Notwendigkeit, ihre hoffnungsvoll gespannten Gesichter anzusehen. Er fühlte sich wie ein Arzt, von dem erwartet wurde, dass er eine sofortige Diagnose und Therapie aus dem Ärmel schüttelte. Die Fotos zeigten ein sorgenvolleres Gesicht als der gerahmte Abzug. Das koboldhafte Lächeln war weiterhin da, aber deutlich gealtert; es wirkte inzwischen etwas bemüht. Irgendetwas lag in den Augen - vielleicht Ernüchterung. Auf ein paar Bildern waren auch Dämons Eltern abgelichtet.
»Wir sind alle zusammen gefahren«, erklärte Brian. »Die ganze Familie.«
Strände, ein großes weißes Hotel, Gesellschaftsspiele am Pool. »Wo ist das?«
»Lanzarote«, antwortete Janice, während sie ihm seinen Tee reichte.
»Nimmst du immer noch Zucker?«
»Schon seit Jahren nicht mehr«, sagte Rebus. Auf ein paar Bildern war sie im Bikini zu sehen: gute Figur für ihr Alter - oder eigentlich für jedes Alter. Er bemühte sich, nicht zu lange hinzusehen. »Kann ich ein paar von den Nahaufnahmen mitnehmen?«, fragte er. Janice schaute ihn an. »Von Dämon.« Sie nickte, und er steckte die anderen Bilder in den Fotoumschlag zurück.
»Wir sind wirklich dankbar«, sagte jemand. Janice' Mutter? Brians? Rebus wusste es nicht.
»Du hast gesagt, seine Freundin heißt Helen?«
Brian nickte. Er hatte etwas weniger Haare und dafür umso mehr Pfunde, leicht hängende Backen. Über dem Kaminsims eine Reihe billiger Trophäen - Darts und Pool: Kneipensportarten. Vermutlich trainierte Brian fast jeden Abend. Janice... Janice sah so aus wie immer. Nein, das stimmte nicht ganz. Sie hatte hier und da graue Strähnen. Aber trotzdem, mit ihr zu reden war wie eine Rückkehr in ein ganz anderes Zeitalter.
»Wohnt Helen hier im Ort?«, fragte er.
»Praktisch um die Ecke.«
»Ich würde mich gern mit ihr unterhalten.«
»Ich klingel eben bei ihr durch.« Brian stand auf, ging aus dem Zimmer.
»Wo arbeitet Dämon?«, fragte Rebus in Ermangelung einer besseren Frage.
»Im selben Betrieb wie sein Dad«, sagte Janice und steckte sich eine Zigarette an. Rebus hob eine Augenbraue: Auf der Schule war sie Nikotingegnerin gewesen. Sie sah seinen Blick und lächelte.
»Er hat einen Job in der Verpackung bekommen«, sagte ihr Vater. Er wirkte gebrechlich, sein Kinn zitterte. Rebus fragte sich, ob er einen Schlaganfall erlitten hatte. Die eine Seite seines Gesichts hing schlaff herunter. »Er lernt den Betrieb kennen. Bald wird er in die Verwaltung aufrücken.«
Der Nepotismus der Arbeiterklasse, Posten, die vom Vater zum Sohn weitergereicht wurden. Rebus war überrascht festzustellen, dass es noch immer so funktionierte.
»Er hatte Glück, dass er überhaupt hier Arbeit gefunden hat«, fügte Mrs. Playfair hinzu.
»Sieht's nicht gut aus?«
Sie machte nur ein missbilligendes Geräusch.
»Erinnerst du dich an die alte Zeche, John?«, fragte
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