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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Blondine: Haare wie gesponnenes Silber, dunkle Augen und Lippen. Während alle Umstehenden versuchten, einen Barmann auf sich aufmerksam zu machen, sah sie zur Seite. Sie trug ein ärmelloses Kleid.
    Zwanzig Sekunden Bandmaterial aus dem Foyer zeigten einen stetigen Strom von Eintretenden, aber niemanden, der den Klub verlassen hätte.
    »Ich hab mir das ganze Band angesehen«, sagte Hawes. »Glauben Sie mir, er ist nicht drauf.«
    »Was ist also mit ihm passiert?«
    »Ganz einfach, er ist rausspaziert, aber die Kameras haben ihn nicht ins Bild bekommen.«
    »Und lässt seine Kumpels auf dem Trockenen sitzen?«
    Rebus nahm sich die Akte noch einmal vor. Dämon Mich war mit zwei Freunden unterwegs gewesen: eine wilde Nacht in der Großstadt. Es war Dämons Runde gewesen - zwei Lager und ein Coke, Letzteres für den designierten Fahrer. Sie hatten auf ihn gewartet, sich dann auf die Suche nach ihm gemacht. Erste Vermutung: Er hatte was aufgerissen und sich davongeschlichen, ohne ihnen was zu sagen. Vielleicht war's irgend 'ne alte Schachtel gewesen, nichts zum Vorzeigen. Aber dann war er nicht nach Haus gekommen, und seine Eltern hatten angefangen, Fragen zu stellen, Fragen, die keiner beantworten konnte.
    Die schlichte Wahrheit: Dämon Mich war, wie die Digitalanzeige auf der Bandaufnahme bewies, am vergangenen Freitagabend zwischen 11.44 und 11.45 Uhr spurlos verschwunden.
    Hawes schaltete das Gerät aus. Sie war groß und dünn und beherrschte ihren Job; es hatte ihr gar nicht gepasst, dass Rebus einfach so in der Gayfield-Wache aufgekreuzt war; die Implikationen hatten ihr nicht gepasst.
    »Es gibt keinerlei Hinweise auf eine Straftat«, sagte sie abwehrbereit. »Jedes Jahr eine Viertelmillion Vermisste, die meisten davon tauchen früher oder später von selbst wieder auf.«
    »Hören Sie«, beschwichtigte Rebus sie. »Ich mach das hier für einen alten Freund, das ist alles. Er will bloß sicher sein, dass wir alles in unserer Macht Stehende getan haben.«
    »Und was können wir tun?«
    Eine gute Frage, und dazu eine, die Rebus gerade in dem Moment nicht beantworten konnte. Stattdessen wischte er sich Staub von den Knien seiner Hose und fragte, ob er sich das Video ein letztes Mal ansehen könne.
    »Und noch was«, sagte er. »Wär's wohl möglich, einen Ausdruck zu kriegen?«
    »Einen Ausdruck?«
    »Ein Foto vom Gedränge am Tresen.«
    »Ich weiß nicht. Aber es würde doch sowieso nicht viel nützen, oder? Und wir haben schon so ganz brauchbare Fotos von Dämon.«
    »Es geht mir nicht um ihn«, sagte Rebus, während das Band wieder anlief. »Es geht mir um die Blondine, die ihm hinterhersieht.«
    An dem Abend verließ er die Stadt in Richtung Norden, zahlte die Maut an der Forth Road Bridge und fuhr hinüber nach Fife. Die Region bezeichnete sich selbst gern als »das Königreich«, und es gab durchaus Leute, die bestätigt hätten, dass es wirklich ein anderes Land war, eine Region mit einer eigenen sprachlichen und kulturellen Identität. Für so ein kleines Gebiet wirkte es fast unvorstellbar komplex, und genau so war es Rebus schon vorgekommen, als er dort aufgewachsen war. Für Auswärtige bedeutete Fife Küstenlandschaft und St. Andrews, die Geburtsstadt des Golf, oder einfach nur ein Stück Schnellstraße zwischen Edinburgh und Dundee, aber das westlich zentrale Fife von Rebus' Kindheit war ganz anders gewesen: Kohlenbergbau und Linoleum, Werften und Chemiewerke, eine Industrielandschaft, die von elementaren Bedürfnissen geprägt gewesen war und misstrauische und introvertierte Menschen hervorbrachte, mit dem schwärzesten Humor, den man sich nur vorstellen konnte.
    Seit Rebus' letztem Besuch waren ein paar neue Straßen gebaut und ein paar weitere alte Gebäude abgerissen worden, aber die Atmosphäre hatte sich in den letzten dreißig Jahren insgesamt nicht allzu sehr verändert. Eine 50 lange Zeit war das schließlich auch wieder nicht. Als er in Cardenden hineinfuhr - Bowhill kam auf Straßenschildern seit den Sechzigerjahren nicht mehr vor, auch wenn die Einheimischen es noch immer als eigenständiges Dorf kannten -, ging Rebus vom Gas, um festzustellen, ob sich die Erinnerungen als süß oder sauer erweisen würden. Dann sah er einen Take-away- Chinesen und dachte: sowohl als auch, natürlich.
    Brian und Janice Michs Haus war leicht zu finden. Sie erwarteten ihn beide am Gartentörchen. Rebus war in einem damals modernen Fertighaus zur Welt gekommen, dann aber in einem Reihenhaus aufgewachsen, das

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