Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
letzten Interviews... »Alan Archibald wohnt da in der Gegend.« Er schlug den Stadtplan wieder auf, zeigte auf Archibalds Straße, dann auf die Sackgasse, in der sich das Pflegeheim befand. Die lagen höchstens sechs Straßen auseinander. »Ich hatte gedacht, Oakes sei da hingegangen, um Alan Archibald auszuspionieren.«
»Jetzt haben Sie Ihre Meinung geändert?«
»Er ist nach Edinburgh zurückgekommen, um alte Rechnungen zu begleichen. Eine ältere als den Onkel gibt es nicht.« Er sah zu Davidson auf. »Ich glaube, er wird versuchen, ihn zu töten.« Davidson rieb sich mit der flachen Hand über das Kinn. »Und Jim Stevens?«
»War zur falschen Zeit am falschen Ort. Wenn Oakes annahm, dass Jim seinen Plan durchschaut hatte, musste er ihn beseitigen. Oakes hat die Kassette aus Jims Rekorder genommen, bloß hatte Jim die Kassetten schon vorher ausgetauscht. Dann hat Oakes die beschriebenen Seiten aus Jims Notizbuch herausgerissen. Er wollte verhindern, dass wir von dem Onkel erfuhren.«
»Aber früher oder später hätten wir doch herausgefunden, wo Stevens gewesen war.«
»Früher oder später, ja.« Rebus tippte mit dem Finger auf das Bandgerät. »Aber ohne die Kassette hätten wir dazu schon eine Weile gebraucht.«
Davidson stand langsam auf. »Lang genug, um ihm genügend Zeit für die Ausführung seines Plans zu lassen...?«
»Was bedeutet, dass es schon bald passiert.« Rebus war jetzt ebenfalls aufgestanden.
Als Davidson zum Telefonhörer griff, sprintete Rebus aus dem Zimmer.
47
Sie hatten Undercoverbeamte platziert. Denen fiel es schwer, nicht aufzufallen. Im Heim arbeiteten hauptsächlich Frauen mittleren Alters. Junge, wachsam blickende Männer mit CID-Haarschnitt wirkten ziemlich fehl am Platz. Die Beamten kamen vom Scottish Crime Squad. Andrew Castle hatte Zimmerarrest. Zwei Männer leisteten ihm Gesellschaft; einer spielte mit ihm Karten - zwei Pennys pro Punkt -, während der andere in der Ecke saß, von der aus man Tür und Fenster am besten im Blick behalten konnte. Am Fenster waren die Vorhänge zugezogen. Ein weiterer Mann saß draußen in einem parkenden Wagen.
»Würde er es mit einem Fernschuss versuchen?«, war eine der Fragen während der Vorbesprechung gewesen. Rebus bezweifelte es: Soweit bekannt, verfügte Oakes über keine Schusswaffen, und außerdem war das für ihn eine persönliche Angelegenheit. Bevor er starb, sollte der Onkel schon erfahren müssen, durch wen und warum.
Eine weitere Frage in der Vorbesprechung: »Was, wenn wir ihn dadurch lediglich verscheuchen?«
Rebus' Antwort: »Dann haben wir einem alten Mann das Leben gerettet... jedenfalls fürs Erste.«
Er hatte das Band noch ein zweites Mal in voller Länge abgehört und zweifelte nicht daran, dass Oakes' Onkel trotz seiner Senilität und Gebrechlichkeit durch und durch schlecht war - und das wahrscheinlich seit jeher. Jetzt stellten sich für ihn mehrere Fragen. Wenn Cary in einer liebevollen Umgebung aufgewachsen wäre, hätte das alles geändert? Waren Menschen von Geburt an dazu bestimmt, Mörder zu werden, oder trugen andere Menschen - und bestimmte Lebensumstände -dazu bei, dass sie zu Mördern wurden , indem sie das Potenzial, das in den meisten Menschen steckte, aktualisierten? Das waren keine neuen Fragen, und ganz gewiss nicht für ihn. Er dachte an Darren Rough, das geschändete Kind, das selbst zum Kinderschänder wurde. Nicht alle Missbrauchsopfer schlugen diesen Weg ein, aber doch eine Menge von ihnen... Und was war mit Dämon Mich? Was hatte ihn dazu gebracht, von zu Hause wegzulaufen? Die gescheiterte Ehe seiner Eltern? Die Angst vor der eigenen Heirat? Oder hatte man ihn genötigt , sein Zuhause zu verlassen, ihn gewaltsam daran gehindert zurückzukehren?
Und warum war Jim Margolies gestorben? Und würde Cary Oakes in die Falle tappen? My, my, my, said the Spider to the fly ...
Oakes war schon viel zu lange die Spinne gewesen.
Rebus fuhr am Krankenhaus vorbei, um nach Alan Archibald zu sehen. Im Pflegeheim konnte er ja doch nichts ausrichten, ganz im Gegenteil, dort stellte er, wie einer der Crime-Squad-Beamten es formulierte, »eine eindeutige Behinderung« dar. In dem Sinn, dass Oakes ihn kannte und Rebus' Anwesenheit die ganze Aktion hätte vereiteln können.
»Sobald sich was tut, rufen wir Sie an.«
Rebus hatte zugesehen, wie sich der Beamte seine Handynummer auf dem Handrücken notierte, gab ihm aber zur Sicherheit noch seine Karte. »Nur für den Fall, dass Sie sich aus Versehen
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