Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
aufzuhalten, »ich hab dafür gesorgt, dass er wusste, wer das Sagen hatte. Das war schließlich mein Haus, verdammt noch mal!« Als ob Stevens ihm Vorwürfe gemacht hätte.
»Sie waren der Boss«, beschwichtigte ihn Stevens.
»Und ob ich das war. Mein Wort drauf.«
»Und wenn Sie ihn verkloppt haben, dann nur, damit er das endlich kapierte.«
»Ist ja meine Rede. Und der war kein Engel, das können Sie mir glauben. Aber versuchen Sie das mal den Frauen klar zu machen.«
»Seiner Mutter und deren Schwester?«
»Meiner Frau, genau. Die hat nie was Böses gewittert, bei keinem, die Aggie. Aber ich muss Ihnen sagen, schon damals wusste ich, dass Bosheit in ihm steckte. Tief sitzende Schlechtigkeit.«
»Und die haben Sie versucht, ihm aus dem Leib zu prügeln.«
»Da hätte ich einen Vorschlaghammer zu gebraucht, Jungchen. Einmal bin ich tatsächlich mit 'nem Hammer auf ihn los. Der Mistkerl war inzwischen ganz schön taff, konnte genauso viel austeilen, wie er einsteckte.« Rebus dachte: Das Gift wird von einer Generation an die nächste weitergereicht. Wie beim Kindesmissbrauch, so auch bei der Gewalt .
»Gehörte er zu einer Gang?«
»Gang? Keiner wollte ihn dabeihaben, Jungchen. Wie war noch mal Ihr Name?«
»Jim.«
»Und Sie arbeiten bei der Zeitung? Wie die ihn weggesperrt haben, sind ein paar von Ihrer Sorte gekommen und wollten mit mir reden.«
»Was haben Sie denen gesagt?«
»Dass er den elektrischen Stuhl verdient hätte. Und wir selbst könnten weiß Gott Blöderes tun, als den Galgen wieder einzuführen.«
»Sie glauben an die abschreckende Wirkung der Todesstrafe?«
»Wenn die erst mal tot sind, Jungchen, dann tun sie's nicht wieder, stimmt's? Was wollen Sie noch?«
Man hörte, wie jemand Stevens eine Tasse Kaffee oder Tee brachte.
»Ja, die behandeln mich schon anständig, hier drin.«
Pflegeheim... Cary Oakes' Onkel... Wie hieß der noch mal? Rebus fand den Namen in den Notizen: Andrew Castle. Und daneben den Namen des Pflegeheims. Rebus setzte sich ans Telefon, fand die Nummer des Heims, wählte.
»Wohnt bei Ihnen ein gewisser Andrew Castle?«
»Ja?«
»Er hatte gestern Abend Besuch.«
»Richtig.«
»Haben Sie ihn weggehen sehen?«
»Verzeihung, mit wem spreche ich?«
»Mein Name ist Detective Inspector Rebus. Mr. Castles Besucher ist tot aufgefunden worden, und wir versuchen, die letzten Stunden seines Lebens zu rekonstruieren.«
Es klopfte an der Tür. Shug Davidson kam herein. Rebus forderte ihn mit einem Kopfnicken auf, sich zu setzen.
»Grundgütiger«, sagte derweil die Frau vom Pflegeheim. »Sie meinen den Reporter?«
»Ja, den meine ich. Um wie viel Uhr ist er gegangen?«
»Es muss so...« Sie unterbrach sich. »Wie ist er denn ums Leben gekommen?«
»Er wurde erstochen, Madam. Also, um wie viel Uhr ist er gegangen?«
»Kurz vor Schlafenszeit... so gegen neun.«
»War er mit dem Auto da?«
»Ich glaube schon, ja. Er hatte draußen vor dem Haus geparkt.«
»Hat man jemanden gesehen, der sich in der Nähe herumtrieb?« Sie klang verdutzt. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Haben Sie irgendetwas Verdächtiges beobachtet während der letzten ein, zwei Tage?«
»Grundgütiger Himmel, Inspector, wovon reden Sie?« Rebus bedankte sich für ihre Hilfe und sagte, dass jemand vorbeikommen würde, um ihre Aussage aufzunehmen. Dann legte er auf und schlug im Stadtplan die Adresse des Pflegeheims nach.
»Shug«, sagte er, »ich hab Stevens in einem Pflegeheim in der Nähe des Maybury-Kreisels lokalisiert, letzten Abend, wahrscheinlich von halb acht bis neun.«
»Maybury liegt an der Straße zum Flughafen.« Rebus nickte. »Ich glaube, Oakes war schon da.«
»Wo?«
»Am Pflegeheim.«
»Wen hat Stevens da besucht?«
»Oakes' Onkel. Die Fragen, die Stevens ihm auf dem Band gestellt hat... ich glaube, er hatte sich schon mal mit dem Onkel unterhalten, sich bereits eine Meinung über ihn gebildet.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die Fragen zielten in eine ganz bestimmte Richtung, sie gaben dem Onkel die Möglichkeit, sich als Sadisten zu outen.«
»Wollen Sie mir jetzt erzählen, dass dieser Onkel Cary Oakes erst zu einem Psychopathen gemacht hat?«
Rebus zuckte die Achseln. »Das haben Sie gesagt, nicht ich. Was ich glaube, ist, dass Oakes sich rächen will.« Er dachte einen Augenblick lang nach. Ich habe eine Verabredung mit meiner
Vergangenheit. Ein Date mit dem Schicksal... mit jemandem, der nie auf mich hören wollte ... Oakes' Worte an Stevens am Ende ihres
Weitere Kostenlose Bücher