Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote
Tochter war erst zwölf und wollte unbedingt mit der Schulklasse nach Spanien fahren, und das bezahlte die Schulbehörde nicht. Also hab ich zu John Ja gesagt und hab angefangen. Hat mich mehrere Tage gekostet. Ich konnte nur abends arbeiten.«
»Lassen Sie mich eines klarstellen: Die Rohre hatten Sie nicht im Graben verlegt?«
»O nein, sicher nicht. Er hatte die Dinger zwar schon bestellt, aber Gott sei Dank waren sie noch nicht gekommen. Also hab ich den Graben wieder verfüllt und Schluss.«
»Nicht ganz, Mr. Runge. Noch etwas. Denken Sie genau nach. Haben Sie beim Auffüllen den Graben der ganzen Länge nach mit einer Erdschicht bedeckt? Haben Sie dann wieder von vorn angefangen und die zweite Schicht eingefüllt und immer so weiter, bis der Graben voll war? Oder haben Sie den Graben Stück für Stück gleich ganz aufgefüllt?«
»Wie bitte?«
Wexford bemühte sich redlich um präzisere Fragen, aber Runges Miene zeigte, dass es wieder nicht gelungen war. Burden kam ihm zu Hilfe, indem er einen Kugelschreiber und sein Notizbuch aus der Tasche zog und meinte: »Ich will es mal zeichnen.«
Rasch hatten sie eine Skizze mit drei verschiedenen Querschnitten des Grabens: einmal zu einem Viertel gefüllt, einmal halb voll und einmal ganz aufgefüllt. Endlich hatte Runge kapiert und entschied sich nickend für die mittlere Version. Er hatte den Graben zur Hälfte verfüllt, war dann bei Anbruch der Dunkelheit nach Hause gegangen und am anderen Tag wiedergekommen, um die restliche Arbeit zu erledigen.
»Sie sagten, Sie hätten abends gearbeitet«, meinte Wexford. »Es war Juni. Also hätte es bis spätabends hell sein müssen.«
»Ja, im Juni. Wurde erst um halb zehn dunkel.«
»Mr. Runge, können Sie ein genaues Datum nennen?«
»Es war der sechzehnte Juni. Das weiß ich genau. An dem Tag hatte mein Junge Geburtstag. Sieben ist er geworden, und er war ganz böse auf mich, weil ich bis spät noch gearbeitet hab. Aber ich hab es wiedergutgemacht.«
Wexford war immer erfreut, wenn er auf einen liebenden Vater stieß, was leider nur allzu selten geschah. »Haben Sie während Ihrer Arbeit jemanden gesehen? Ich meine, ist jemand auf das Grundstück gekommen? Hat sie jemand angesprochen?«
»Nicht dass ich mich erinnere.«
»Die Leute laufen mit ihren Hunden beim Gassigehen über dieses Grundstück.«
»Vielleicht, aber sagen Sie das bloß dem armen alten John nicht.« Runge hob einen Finger, als wollte er sich selbst ermahnen, und sagte: »Ich hab gelogen. Da war doch jemand, der sich mit mir unterhalten hat. Mrs. Tredown, also eine von den Tredown-Frauen, die junge, auch wenn sie nicht ganz jung ist. Ist von ihrem Grundstück herübergekommen. Hab ihr ’nen guten Abend gewünscht. Bin ganz höflich gewesen, was man von ihr nicht behaupten kann. Was sie genau gesagt hat, weiß ich nicht mehr, ist schließlich elf Jahre her. ›Also kann er seine Häuser nicht bauen‹, hat sie gesagt. So in der Art. ›Bin ich froh‹, hat sie gemeint. ›Ich bin heilfroh. Am liebsten würde ich auf seinem verdammten Graben tanzen‹, hat sie gesagt. Verdammt hat sie allerdings nicht gesagt. Darum erinnere ich mich vermutlich auch noch: Sie hat sich ganz seltsam ausgedrückt, wohl weil sie ja angeblich eine Dame ist. ›Wir haben gewonnen‹, hat sie gesagt. ›Gott lässt seiner nicht spotten.‹ Vermutlich ist sie nicht ganz dicht. Hat wohl nicht alle Tassen im Schrank.«
»Hatte sie mit der Bemerkung ›Wir haben gewonnen‹ gemeint, dass die Einwände der Nachbarschaft gegen Mr. Grimbles Plan Erfolg gehabt hatten?«
»So ungefähr.«
Burden meinte: »Ich nehme an, Sie hätten es uns gesagt, wenn man über Nacht irgendetwas in den Graben gelegt hätte. Oder wenn Ihnen an dem Graben etwas Ungewöhnliches aufgefallen wäre.«
»Hätte ich, ja. Ich weiß, worauf Sie anspielen. Ich hab es im Fernsehen gesehen. Ich meine, ein in lila Lumpen gewickeltes Skelett ist nicht gerade was, was einem entgeht, oder?«
Auf dem Rückweg zum Auto sagte Wexford zu Burden: »Was hat er mit ›eine von den Tredown-Frauen‹ gemeint? Hast du eine Ahnung?«
»Frag mich was Leichteres.«
Kaum waren sie wieder auf dem Revier, stellte Wexford diese Frage erneut. Der fünfte Befragte wusste eine Antwort darauf. Barry Vine meinte lachend: »Er lebt mit seinen zwei Ehefrauen zusammen. Nicht in Bigamie. Von seiner ersten ist er ordentlich geschieden, und schätzungsweise gibt es da auch keine Techtelmechtel, wenn Sie verstehen, was ich meine.
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