Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote
höchstens aber ein paar Tage. Der unbekannte Mörder von Mr. X muss den Graben gekannt haben. Von der Pump Lane oder der Kingsmarkham Road aus kann man ihn nicht sehen.«
»Von den Fenstern aus aber schon.«
»Ja, das werden wir noch nachprüfen müssen. Ich tippe auf Athelstan House, Oak Lodge und Marshmead. Du nicht auch? Möglicherweise auch Flagford Hall. War der Tote ein Hiesiger, oder ist er hier zu Besuch gewesen? Elf Jahre sind eine lange Zeit. Bis wir fertig sind, wird uns dieser Satz bestimmt zum Hals heraushängen. Die meisten Anwohner sind regelmäßig über dieses Stück Land spaziert, ob jung oder alt. Alle ans Grundstück angrenzenden Häuser haben Lücken in den Zäunen oder sogar Gartentore, die ihnen einen Zugang ermöglichen, ob es Grimble passt oder nicht.«
»Haben wir auch an die ehemaligen Anwohner gedacht, die vor elf Jahren hier gelebt haben?«
»Damit beschäftigt sich Barry«, sagte Wexford, »mit Unterstützung der Hunters. Hoffentlich gehören sie zu den alten Leuten, die bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zurück ganz genau wissen, wer wann wo gewohnt hat. Diese Menschen haben zwar keinen blassen Schimmer von den gestrigen Ereignissen und können sich ihre eigene Telefonnummer nicht merken, aber wenn es um Dinge aus der ferneren Vergangenheit geht, sind sie wahre Fundgruben der Erinnerung.«
»Wer ist zu den Tredowns gegangen?«
»Die habe ich für mich aufgehoben. Dieses Vergnügen werde ich mir morgen früh gönnen. Willst du mit? Hannah soll sich zusammen mit Lyn unsere spärliche Vermisstenliste ansehen.«
Vor acht Jahren war im mittleren Sussex eine ziemlich große Anzahl Männer verschwunden, während es in der näheren Umgebung von Kingsmarkham, einschließlich Flagford, ganze zwei gewesen waren. Auf der Liste stand als Erster der damals fünfundsechzigjährige Trevor Gaunt, der aufgrund seines Alters als Kandidat höchstwahrscheinlich ausschied.
»Es sei denn, Carina Laxton liegt mit ihren Berechnungen völlig daneben«, meinte DC Lyn Fancourt. »Ich werde nie kapieren, wie die behaupten können, jemand sei seit acht, zehn oder gar zwanzig Jahren tot, nur weil sie in den Knochen herumgestochert haben. Oder wie sie sicher sein können, wie alt die Leute gewesen sind.«
Hannah lachte. »Trotzdem können sie es. Du musst daseinfach akzeptieren. Um ein oder zwei Jahre könnte sich Carina im Alter irren, aber nicht um zwanzig. Dieser alte Knabe ist nicht unser Mann. Der ist wahrscheinlich irgendwo tot zusammengebrochen«, sagte sie herzlos, wie junge Leute es zu tun pflegen, »und die Leiche wurde nie gefunden. Wer ist der andere?«
»Ein Typ namens Bertram Farrance. Diese Liste geht wirklich nicht sehr ins Detail. Hier steht nur sein Alter, damals achtunddreißig, seine Adresse und dass seine Ehefrau Vermisstenanzeige erstattet hat.«
»Was erwartest du denn? Du siehst doch fern. Du weißt doch, was alle sagen. ›Er ist um fünf Uhr nur schnell eine Abendzeitung holen gegangen, und als er bis um sechs nicht wieder zurückkam, war ich fix und fertig. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. So etwas hat er noch nie gemacht.‹ Und so weiter, und so weiter.«
»So muss es doch nicht immer sein«, rief Lyn lachend.
»Du könntest ja hinfahren – wo war das gleich? Station Road? – und nachsehen, ob die Frau immer noch dort lebt.«
Es ging Hannah gegen den Strich, eine Frau als Ehefrau zu bezeichnen, selbst wenn sie vielleicht schon seit vierzig Jahren verheiratet war, mit Mrs. angesprochen wurde und den Namen ihres Mannes angenommen hatte. Noch mehr Einwände hatte sie gegen das Wort »Lady«, seit sie herausgefunden hatte, dass es sich von dem angelsächsischen Wort »lafdig« ableitete, was so viel wie »die Brotbäckerin« hieß. Lyn Fancourt fand, Hannah habe durchaus recht, und bewunderte ihre Haltung. Trotzdem – war das Ganze nicht ein bisschen albern?
»Du hast einen tollen Ring«, sagte sie.
»Unter uns gesagt, ich wäre auch ohne ihn ausgekommen. Ich muss keine Fingerfessel tragen, um mich an Bal gebunden zu fühlen. Aber er hat es so gewollt. Was kann man da machen? Nur weil man einen Ring trägt, muss man ja nicht unbedingt heiraten.«
Lyn ging zu Fuß zur Station Road. Es war nicht weit; außerdem tat ihr ein Spaziergang gut. Als sie sich heute Morgen gewogen hatte, hatte sie gesehen, dass sie zweiundsechzig Gramm zugenommen hatte. Das war zwar nicht viel, aber trotzdem ging es ihr nicht aus dem Kopf, und sie versuchte herauszufinden, welche zusätzlichen
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