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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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aber da niemand mehr Gobelins sticken oder Stickrahmen kaufen wollte, hatte der Laden »Pleite gemacht«, wie es Barry Vine ausdrückte. Burden sah von der kunstvoll in Weinrot und Gold auf falschem Pergament gedruckten Speisekarte auf.
    »Die Saisonarbeiter sind tatsächlich im Juni vor elf Jahren nach Flagford gekommen, genau wie Grimble behauptet hat. Zur Beerenernte. Nachdem er sie verjagt hatte, hat ihnen der Obsthof Morella‘s ein Stück Land zum Kampieren zugewiesen. Und dort haben sie sich auch aufgehalten, als sie drei Jahre später, im September, wiedergekommen sind. Ob es dieselbe Truppe war, weiß ich nicht. Einige vermutlich schon, dazu ein paar neue Leute. Offensichtlich hatte der Bauer – also Morellas Obsthof – inzwischen für sie einen richtigen Lagerplatz hergerichtet. Es ist schwierig, diese Leute im Auge zu behalten. Wir können lediglich sagen, dass man uns keinen Vermissten gemeldet hat.«
    Sie bestellten bei der Kellnerin, die höflich lächelte. Sie hatte Mühe mit dem Englischen, brachte aber ein »Vielen Dank« heraus.
    »Wir überprüfen sämtliche Hotels«, fuhr Burden fort, nachdem sie weg war. »Das Problem liegt darin, dass man dort natürlich keine uralten Gästelisten aufhebt. Andererseits, warum sollte man beispielsweise in Flagford einen Feriengast ermorden und begraben? Ich vermute, unser unbekannter Reisender könnte hierhergekommen sein, um einen Ortsansässigen zu erpressen.«
    »Klingt wie der Sherlock-Holmes-Roman, den Conan Doyle zu schreiben vergessen hat. Behaupten wir mal, er hätte kompromittierende Fotos von der alten Mrs. McNeil und ihrem Liebhaber gehabt, dem alten Mr. Pickford, und hätte dafür zehntausend Pfund Schweigegeld haben wollen. Also haben sie ihn eingeladen und mit vergiftetem Tio Pepe um die Ecke gebracht, während gleichzeitig Grimble passenderweise einen Graben für sie hat ausheben lassen, um die Leiche darin zu begraben. Das glaube ich nicht.«
    »Sollte doch nur ein Beispiel sein«, erwiderte Burden beleidigt und fügte dann höchst überraschend hinzu: »Die junge Frau, die uns bedient hat, heißt Matea und ist wahrscheinlich die schönste Frau, die ich je gesehen habe.«
    Wexford musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich traue meinen Ohren nicht. So etwas sagst du doch nie.«
    »Ich bin kein – na ja, kein Lustmolch, oder wie du das sonst nennen würdest. Ich stehe nicht auf sie, falls du das meinen solltest. Für mich ist sie einfach nur schön. Das würde ich selbst dann sagen, wenn ich hier mit meiner eigenen Frau zum Mittagessen wäre.«
    »Ehrlich? Frauen schätzen im Allgemeinen derartige Bemerkungen über andere Frauen nicht sonderlich, auch wenn es aus noch so unschuldigen und keuschen Gründen geschieht, wie es bei dir der Fall ist.«
    Bei diesem Stichwort trat Matea mit ihrem Lamm-Biryani und dem Hühnchen-Korma hinter dem rot-goldenen Perlenvorhang heraus. Sie war ungefähr achtzehn, sehr groß und sehr schlank. Man merkte irgendwie, dass sie von Natur aus schlank war und nicht deshalb, weil sie sich zu Tode hungerte. Ihre Haut hatte den zarten Goldton einer Teerose. Ihre weichen Gesichtszüge waren absolut symmetrisch. Ihre glänzenden schwarzen Haare reichten bis zur Taille, und ihre Augen …
    »Ich glaube nicht, dass ich sie beschreiben könnte«, sagte Burden, der in Betrachtung eines Tellerchens mit gelbem Chutney versunken war.
    »Ach, ich schon. Wie wär’s mit ebenholzfarbenen Seen von unergründlicher Tiefe? Oder mit blauschwarzen Fenstern der Seele? Na los, Mike, iss. Woher stammt sie eigentlich? Aus dem Nahen Osten? Am Stadtrand von Stowerton zeugt man so etwas nicht.«
    Burden wusste es nicht, oder er behauptete es wenigstens. Das politisch korrekte Verhalten seiner Frau, das zwar nicht ganz an das von Hannah Goldsmith heranreichte, hatte so weit auf ihn abgefärbt, dass er Menschen nur mit gemischten Gefühlen nach ihrer Rasse kategorisierte.
    In dem Schaufenster des Geschäfts an der Ecke Pestle Lane und Queen Street stand noch immer der Name Drogerie Robinson eingraviert. Der jetzige Inhaber – er hieß Sharma – war ein großer schmaler Mann aus dem Fernen Osten. Sein Laden war ein Muster an Sauberkeit, Ordnung und Effizienz. Die großen verstöpselten Glasflaschen mit seltsamen kobaltblauen und malachitgrünen Flüssigkeiten waren aus dem Fenster ebenso verschwunden wie die Bruchbänder und die Schachtel mit der geheimnisvollen Aufschrift »Gummiwaren«, die Burden als Kind stets vor große Rätsel

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