Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
Eingeborenenmädchen, Nat«, fuhr Sam fort. »Sie war nicht übel, diese Mary. Höchstens zwanzig oder einundzwanzig. Na, Sie wissen ja, wie manche in dem Alter aussehen.« Ein harter Ellbogen traf Bony in die Rippen, und das leise Lachen verriet, daß Melody Sam selbst es sehr wohl wußte. »Die wurde unter dem letzten Pfefferbaum am anderen Ende der Straße, dicht beim Pfarrhaus, erschlagen. Sie hatte eine Weile beim Pastor gearbeitet, mit Unterbrechungen etwa ein Jahr. Ihre Leute meinten wohl, man hätte sie da zum Christentum bekehrt, aber … Nun es war so, daß Harmon damals einen Fährtensucher namens Abie hatte, und dieser Abie zog mit dem Stamm los, bevor das Mädchen umgebracht wurde, deshalb hatte Harmon, als der Mord verübt wurde, keinen Fährtensucher zur Hand.
Anscheinend war Abie hinter Mary her, und Harmon meinte, er könnte ja aus der Umgegend zurückgekommen sein, um sie zu töten. Jedenfalls hatte Harmon soviel Verstand, daß er den Boden da, wo das Mädchen gefunden wurde, ringsum mit Laken bedecken ließ, um die Fußspuren zu erhalten. Dann rief er den Wachtmeister in Laverton an, er möchte ihm seinen Fährtensucher schicken, damit er nach Fußspuren forschen könnte. Der wurde auch gebracht, vier Tage später, und sagte zuerst, ein Eingeborener sei der Täter gewesen. Nachher meinte er aber, es müsse doch ein Weißer gewesen sein. Er blieb unsicher, und alles Fragen kreuz und quer nützte nichts. Na, und der Platz da hinten an der Straße wurde natürlich von Menschen und Tieren wieder völlig zertrampelt.
Die Polizei unternahm weiter nichts – jedenfalls schien es so. Harmon setzte sich in den Kopf, daß Abie es getan hätte, und wartete bloß, daß er mit dem Stamm wieder zurückkäme. Und als sie alle kamen, war Abie nicht dabei. Niemand hat ihn seitdem gesehen.
Viele dachten damals, es sei eine Abrechnung zwischen Eingeborenen gewesen. Sie verstehen schon: reine Eifersuchtsgeschichte zwischen zwei jungen Männern, die gerne diese Mary haben wollten. So dachte auch Harmon, aber der Pastor protestierte dagegen. Der steht ja ganz auf der Seite der Eingeborenen und ist unser Gegner. Na, der hat vielleicht dumm geschaut, als der zweite Mord passierte! Sie haben doch davon gehört?«
»Ja, eine Mrs. Lorelli«, antwortete Bony. »Carr hat mir erzählt, daß man ihn in Verdacht gehabt hätte.«
»Eher hätten sie mich verdächtigen können!« schnaubte Melody Sam. »Dieser junge Lümmel, dem fehlt nichts weiter als eine ordentliche und strenge Erziehung. Ich mußte mich für ihn noch ziemlich ins Zeug legen. Diesmal waren die Eingeborenen wieder weit draußen, und Harmon ließ zwei Fährtensucher aus Kalgoorlie kommen. Die fanden Fährten von einem Kerl in Strandschuhen, der sich dem Haus durch das Bett eines steinigen Baches genähert hatte und den Mord mit den bloßen Händen ausführte.«
»Und daraufhin hatte man Tony Carr besonders in Verdacht?« warf Bony ein.
»Ja.« Melody Sams Stimme wurde plötzlich laut. »He, du, Bert Ellis, es ist knapp elf Uhr. Du gehst mir nicht an die Theke, ehe deine Mittagspause beginnt, verstanden!«
Ratsdiener Ellis wollte protestieren und mußte sich nochmals sagen lassen, er solle, zum Donnerwetter, bis zwölf Uhr warten. Melody Sam knurrte ärgerlich, dämpfte aber seine Stimme wieder und sagte: »Zwölf Pfund die Woche und schafft in acht Stunden weniger als ich in vier! – Ja, richtig, man wollte Carr die Sache in die Schuhe schieben. Er gab zu, daß er kurz vor Sonnenuntergang bei Lorelli am Haus gewesen war, und als Lorelli um neun nach Hause kam, war seine Frau nicht mehr am Leben. Wenn ich sagte, ›man‹ wollte Carr der Tat beschuldigen, dann meine ich Harmon, den der Pfarrer noch aufgestachelt hatte. Dieser MacBride ist schon zu lange hier, der bildet sich ein, die Stadt gehöre ihm. Nicht mal die Kirche gehört ihm – sondern mir, und sein Gehalt kriegt er auch von mir. Ich sagte: ›Der junge Carr wird nicht verhaftet, wenn bloß geflochtene Schuhe der einzige Beweis sein sollen.‹«
Melody Sam ließ wieder sein trockenes Lachen hören und sagte: »Als ich den Mund aufmachte, Nat, da wurden sie alle ganz klein. Jedenfalls bekamen wir über den Mord an der Mrs. Lorelli nichts ‘raus. Man ließ Kriminalbeamte in Zivil aus Kalgoorlie kommen, und die stöberten ein paar Wochen hier herum und verpulverten fast ihr ganzes Gehalt in meinem Lokal. Fürs Geschäft war das gut. Ebenso war’s, als der junge Moss da in der Nähe vom
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