Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
Mord aufzuklären, nicht so geholfen haben, wie sie es hätten können, aber wir sind auch nicht überzeugt, daß es eine interne Angelegenheit des Stammes gewesen ist. Wissen Sie, ob es zwischen dem Stamm und jemandem in der Stadt Streitigkeiten gegeben hat?«
»Früher gab es so was öfter«, erwiderte Elder. »Es wurde besser, als der jetzige Häuptling Iriti gewählt wurde. Melody Sam und der Polizist, der vor Harmon hier war, hatten eine Art Friedensvertrag mit den Eingeborenen geschlossen. Seitdem haben sie sich vernünftig benommen. Melody Sam hat sie dann großzügig behandelt und ihnen jedesmal, wenn sie von der Wanderung zurückkamen, Fleisch und Tabak gegeben.«
»Sind irgendwelche peinlichen Dinge zwischen den Eingeborenen und den weißen Männern geschehen?« fragte Bony weiter, und Elder antwortete, dergleichen sei nicht mehr vorgekommen, seitdem auf Harmons Betreiben hin ein Mann, der ein Verhältnis mit einer jungen Eingeborenen gehabt hatte, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war.
Als Bony Tony Carr erwähnte, sagte Elder: »Ich habe für diesen Burschen nichts übrig, aber er könnte ja nicht tagelang mit den Eingeborenen auf der Jagd gewesen sein, wenn er mit einem ihrer Mädchen angebändelt hätte. Dann wäre er schon längst spurlos verschwunden.«
Elder vertrat die Ansicht, daß Marys Tod vom Stamm beschlossen worden sei, weil sie sich zu sehr vom Pastor und dessen Frau hatte leiten lassen, und als die Eingeborenen den richtigen Anlaß fanden, sie zu töten, sei das eben gemacht worden. Ihnen sei es in solchen Fällen ganz einerlei, ob das auf der Hauptstraße oder in der Wüste geschehe.
»Und welcher Anlaß sollte das gewesen sein?« wollte Bony wissen.
»Na, meine Tochter Janet hat mir das so erzählt: Als sie mit Mary und den anderen jungen Eingeborenenmädchen mal draußen kampieren wollte, kamen sie und Mary an eine Opferstätte der Eingeborenen da unten im Mulgawald. Das war ungefähr vor einem Jahr. Von uns geht niemand in diesen Wald, denn da ist ja nichts zu holen. Also, die Mädchen hatten zuerst nördlich vom Wald auf einem Felsen gestanden, und auf dem Rückweg sagte Janet, sie wollte nicht wieder ganz um den Wald herumgehen, sondern einfach quer hindurch. Und sie drängte Mary so lange, bis sie mitmachte.
Also gingen die zwei durch den Wald, die anderen den großen Umweg. Wie Janet es schildert, kamen sie an einen Steinhaufen und sahen von da aus einen Platz mit Kreisen aus weißen Steinen. Mary kriegte Angst und weigerte sich, diesen Platz zu überschreiten, während Janet es tat. Mary ging um ihn herum und erst hinter dem Platz mit Janet weiter. Aber sie hätte dort überhaupt nicht sein dürfen, weil der Ort für weibliche Eingeborene tabu ist. Grund genug, sie zu töten. Nach außen hin, weil sie den Stamm verlassen hatte, um bei den Weißen zu leben – denn so konnte es wirken, obwohl sie sich auch oft bei ihren Leuten aufhielt. Begreifen kann ich nur nicht, warum sie Janet nicht umbrachten, die doch tatsächlich quer über den heiligen Boden gegangen war.«
»Das hätte zuviel Staub aufgewirbelt«, gab Bony zu bedenken. »Außerdem ist ein weißes Mädchen in diesem Zusammenhang in ihrer Gedankenwelt ohne Bedeutung.«
8
Melody Sam war Bony außerordentlich dankbar dafür, daß er ihn kuriert hatte. Seine Enkelin grübelte immer noch über eine ihr sehr wichtig erscheinende Frage nach: War der Hausdiener verheiratet oder Junggeselle? Wachtmeister Harmon behandelte Bony, weil er ihm sein graues Pferd gezähmt hatte, unverändert nett und wie einen Freund.
Neun Tage war Inspektor Bonaparte jetzt in Daybreak und hatte, während er seinen Pflichten als Hausdiener nachging, ständig gelauscht und geforscht, um die Strömungen unter der Oberfläche dieser scheinbar so ruhigen Gemeinde zu entdecken. Er merkte kaum, wie schnell die Zeit verstrich. Was seine fernen Vorgesetzten über das Ausbleiben von Berichten denken mochten, ließ ihn völlig kalt.
Am Vormittag des zehnten Tages saß er mit Melody Sam auf einer Bank vor dem Hotel. Gäste waren nicht da.
Sam hatte schon sieben alkoholfreie Tage hinter sich; er saß aufrecht und kraftvoll da, in Reitstiefeln und einer Gabardinehose, bekleidet mit einem weißen Hemd und zugeknöpfter Weste aus dunklem Stoff, über die sich eine Uhrkette aus Goldklumpen quer über die Brust zog. Sein weißes, borstiges Haar war kurz geschoren, sein Schnurrbart gestutzt und energisch gesträubt. Er bot, wie seine Enkelin, ein
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