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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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er.» Und mit flehender Stimme: «Ich wette, wenn’s ein Mordfall wäre, dann würdest du dich dahinterklemmen.» Er sah sich in dem Dienstzimmer um, starrte auf Tische, Stühle und Sekretärin, als könnte er irgendwo eine Leiche für Jury hervorzaubern.
    «Es ist aber kein Mordfall, oder? Und dein Chef hat uns auch nicht gebeten –»
    Mit einer dramatischen Geste schlug Lasko sich gegen die Brust. «Aber ich bitte dich darum – dein alter Kumpel Sam Lasko. Ich will nichts weiter, als daß du mitkommst und mit diesem Farraday redest. Das ist alles. Damit er Ruhe gibt.»
    Jury warf Lasko einen prüfenden Blick zu und steckte seine Zigaretten ein. «Okay, aber mehr nicht, Sammy. Ich bin heute abend zum Dinner verabredet und habe hier noch ein paar andere Dinge zu erledigen. Mach dir also keine großen Hoffnungen.»
    Jury hatte Lasko noch nie so glücklich gesehen wie in diesem Augenblick, doch dergleichen Glücksmomente waren ohnehin selten. «Wunderbar. Diese Leute denken nämlich, der FBI und Scotland Yard seien die einzigen ernst zu nehmenden Ordnungshüter auf Gottes weiter Welt.»
    Jury griff nach seinem Notizbuch. «Keine Sorge, eine Stunde mit mir, und sie werden anders darüber denken.»

5
    Die Farradays saßen an einem Tisch in dem für Drinks reservierten Teil der luxuriösen Lobby des «Stratford Hilton». Vier Augenpaare musterten Jury mit jeweils unterschiedlichem Interesse.
    Farraday selbst schien – entgegen Laskos Bericht – eher skeptisch, aber nicht unfreundlich, als Jury seinen Ausweis zückte. Wahrscheinlich hatte Lasko bis auf die Vermißtenanzeige ohnehin alles frei erfunden. Skeptisch, aber nicht unfreundlich.
    James Farraday erhob sich und schüttelte Jury die Hand, dann hielt er eine vorbeigehende Kellnerin an. «Was soll’s sein, Mr. Jury?»
    Jury lehnte dankend ab, aber Farraday bestellte trotzdem. Whisky, ohne Eis. «Ich weiß, aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen trinkt ihr Burschen euren Whisky warm.»
    «Er hat doch gesagt, er will keinen.» Die Stimme kam aus einer dunklen Ecke.
    «Kümmere du dich um deine Angelegenheiten, Penny. Er sagt das nur aus Höflichkeit.» Farraday lächelte Jury mit einer Selbstsicherheit an, die, wie Jury annahm, sein ganzes Tun bestimmte.
    Penny mochte er jedoch sofort, obwohl sie, die Arme um ihren dünnen Körper geschlungen, einfach nur dasaß und ihn scharf ansah. Penny war das Küken, nicht die reife Tochter. Jury schätzte sie auf vierzehn oder fünfzehn; ihre Haut war von einem fast staubig anmutenden Braun, als wäre sie barfuß auf einem Feldweg spazierengegangen; Sommersprossen bedeckten wie kleine Dreckspritzer ihr ganzes Gesicht; das lange, glatte Haar hatte die Farbe von modernden Blättern; die ausgeprägten Wangenknochen und die hellbraunen Augen, goldgelb gesprenkelt und etwas schräg gestellt, verliehen ihr ein interessantes, irgendwie orientalisches Aussehen. Ihre Haltung und ihr Blick verrieten ihm, daß sie nicht wußte, wie hübsch sie war.
    Kein Wunder. Zwischen ihrer Stiefschwester und Stiefmutter – beide wie reife Pfirsiche mit glänzendem Blondhaar und rosigen Wangen – mußte es Penny Farraday schwerfallen, sich nicht als häßliches Entlein zu fühlen. Die Mutter trug ein weißes, tief ausgeschnittenes Sommerkleid, das den Busen fest umspannte, das Mädchen ein knappes Oberteil, das den Rücken frei ließ, und grellrosa Shorts, passend zur Farbe ihrer Lippen, über die sie gerade mit ihrer kleinen, hurtigen Zunge fuhr.
    «Das ist meine Frau, Amelia Blue, und das da ist meine Stieftochter Honey Belle.»
    Die einzige, die einen mitgenommenen Eindruck machte, war Penny. Vielleicht war auch Farraday nicht ungerührt geblieben, obwohl er wahrscheinlich zu der Sorte Mann gehörte, die eher sterben würde, als unmännliche Angstgefühle zu zeigen. Aber seine Stimme verriet ihn. «Also, was wollt ihr Burschen wegen Jimmy unternehmen?»
    Jury zog sein Notizbuch heraus. «Zunächst einmal muß ich einiges in Erfahrung bringen, Mr. Farraday. Detective Sergeant Lasko sagte, Sie hätten Jimmy am Montag morgen zum letztenmal gesehen.»
    «Richtig. Er sagte, er wolle zu diesem Geburtshaus.»
    «Ist er denn häufig allein losgezogen?»
    «Das kann man wohl sagen», meinte Mrs. Farraday – Amelia Blue – in einem Akzent, der an zähflüssige Melasse erinnerte. Er paßte ausgezeichnet zu ihrer Erscheinung. Jury hätte wetten können, daß das Mädchen genauso sprach. Die beiden glichen einer schweren, süßen Masse, bereit zu

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