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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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zerfließen. «Du mußt James Carlton einfach etwas an die Kandare nehmen.» Sie warf ihrem Mann einen scharfen Blick zu.
    «Er geht nun mal gern seine eigenen Wege. Wir haben von jeher Ärger damit gehabt, daß er auf eigene Faust loszieht, ohne uns ein Wort zu sagen.» Farraday nahm einen tiefen Schluck von seinem Drink, der nach einem dreifachen Whisky aussah. «Es ist wirklich sehr schwierig, ihn zu halten.» In Farradays Stimme klang etwas Stolz mit, und er blickte sich um, als hoffte er, den Jungen jeden Augenblick hereinspazieren zu sehen. Sein Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. Schließlich entrang er sich ein Lachen, aber es schien ihm im Hals steckenzubleiben. «In Amsterdam war er auch mehrere Stunden weg.»
    «Sie sind mit einer Reisegesellschaft unterwegs, Mr. Farraday?»
    «Richtig. Mit Honeysuckle Tours.»
    Was für Namen die sich einfallen ließen. «Und Ihre Mitreisenden sind auch hier im ‹Hilton›?»
    Farraday schüttelte den Kopf. «Nein, nein. Honeycutt – das ist der Manager – hat das anders arrangiert. Er richtet es so ein, daß die Leute bleiben können, wo es ihnen gerade paßt. Ich würde doch keine dieser Nullachtfünfzehn-Reisen mitmachen, bei denen dreißig Leute in einen miesen, klapprigen Bus gepfercht und über den ganzen Globus gekarrt werden. Ich kann Ihnen sagen, das hier ist nicht gerade billig – es kostet mich –»
    «Das interessiert den Inspektor doch nicht, Liebling», sagte Amelia Blue und berührte leicht seinen Arm, lächelte aber Jury dabei an, als wüßte sie, was ihn interessieren könnte.
    «Aus wie vielen Personen besteht die Gruppe?»
    Farraday zählte sie an den Fingern ab. «Außer uns sind es noch sechs, also insgesamt elf, Honeycutt eingeschlossen. Er ist im ‹Hathaway› oder in einem anderen englischen Hotel abgestiegen. Was mich betrifft, ich brauche meinen Komfort. Ich kann mir nicht vorstellen, das Bad mit jemandem teilen zu müssen. Wir sind Amerikaner, Sie verstehen –»
    Wär ich nie drauf gekommen, dachte Jury. «Und aus welcher Gegend kommen Sie, Mr. Farraday?»
    «Ich, Penny und Jimmy – das ist mein Sohn – kommen aus Maryland.» Er sprach es wie ein zweisilbiges Wort aus. «Garrett County. Amelia Blue und Honey Belle – Amelia ist meine zweite Frau, und Honey Belle ist ihre Tochter – kommen aus Georgia, wo Honeysuckle Tours auch ihr Büro haben. In Atlanta. Der Bursche in Atlanta bringt die Reisegesellschaft zusammen, und dieser Honeycutt – er ist Engländer – kümmert sich um die Organisation diesseits des Atlantiks.»
    «Sind Sie sicher, daß Ihr Sohn nicht bei einem Ihrer Mitreisenden steckt? Sie sind ja schon ziemlich lange zusammen –»
    Amelia Blue verwandelte sich in einen kichernden Teenager: « Zu lange, wenn Sie mich fragen.»
    «Hat sich Ihr Sohn denn mit jemandem angefreundet?»
    Honey Belle, die die ganze Zeit über den leeren Blick ihrer blauen Augen auf Jury geheftet und auf einer goldgelben Haarsträhne herumgekaut hatte, entschloß sich, den Mund auf zutun: «Nur mit diesem verrückten Harvey Schoenberg, mit niemandem sonst.»
    Die Stimme zerstörte jede Illusion von üppiger Weiblichkeit. Sie klang flach und nasal.
    «Und was für ein Typ ist dieser Schoenberg, den er ins Herz geschlossen hat?»
    «Harv hat sich auf Computer spezialisiert», sagte Farraday. «Und Jimmy ist ein aufgeweckter kleiner Bursche mit einem Gehirn wie ein Computer.»
    «Alles Quatsch.» Honey Belle gähnte, streckte in einer aufreizenden Bewegung die Arme hoch und verschränkte sie dann hinter dem Kopf, damit Jury auch ja nichts entging.
    «Auf jeden Fall», fuhr Farraday fort, «war er nicht bei Harvey. Wir haben gefragt. Wir haben bei allen nachgefragt. Keiner hat ihn gesehen.»
    Farraday hustete und zog sein Taschentuch heraus. Jury registrierte mitfühlend, daß dieser Husten nur von den aufdrängenden unmännlichen Tränen ablenken sollte. Farradays Augen schimmerten immer noch feucht, als er das Taschentuch wieder in seine Hosentasche stopfte, sich über den Tisch lehnte und mit dem Finger auf Jury wies.
    «Also, hören Sie, ich kann mich jederzeit mit der amerikanischen Botschaft in Verbindung setzen. Wie wollt ihr Burschen nun vorgehen?» Jury vermutete, daß der Mann daran gewohnt war, seine Geschäfte mit handfesten Drohungen voranzutreiben, aber in diesem Fall war alles nur Fassade: Farraday machte sich wirklich Sorgen, was man von den anderen, abgesehen von Penny, nicht behaupten konnte. Sie hatte kaum etwas gesagt,

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