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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sie jemals in ihrem Leben geraucht hatte; doch schien es ihm unwahrscheinlich, daß sie es noch nie versucht haben sollte. Er hielt ihr ein Streichholz hin, und sie mußte mehrmals ziehen, bevor die Zigarette glühte. Sie hatte sie zwischen Daumen und Zeigefinger genommen und zog so hektisch dran, wie es Anfänger zu tun pflegen.
    «Er ist nicht unser Daddy, wissen Sie. Ich mein, von Jimmy und mir. Er hat uns irgendwie adoptiert», fügte sie grollend hinzu.
    Jury lächelte über das ‹irgendwie›. Trotzdem war er überrascht. Die Frau hatte wirklich keinen mütterlichen Eindruck auf ihn gemacht, Farraday dagegen hatte seine väterliche Besorgnis nicht verbergen können. «Das habe ich nicht gewußt. Ich wußte nur, daß seine Frau nicht deine Mutter ist.»
    « Die? Ganz bestimmt nicht. Mama ist außerdem tot.» Aus der Gesäßtasche ihrer abgeschnittenen Jeans zog sie eine abgegriffene lederne Brieftasche, der sie ein zerdrücktes Schwarzweißfoto entnahm. Offensichtlich wurde es häufig in die Hand genommen. Sie gab es Jury. «Das ist Mama.» Der Gram in ihrer Stimme wog zentnerschwer. «Sie hieß Nell.»
    Die junge Frau – sie machte einen blutjungen Eindruck – stand im Schatten eines hohen Baumes, aber selbst in dem schlechten Licht dieser Umgebung war die große Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter gut zu erkennen: Das glatte Haar und das Gesicht hatte Penny von ihrer Mutter geerbt. Die Frau stand einfach nur stocksteif da, ohne den geringsten Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht, ein Modell, das sich weigerte zu posieren.
    «Tut mir leid, Penny.» Jury gab ihr das Foto zurück. «Was ist ihr denn zugestoßen?»
    Sorgfältig steckte Penny das Foto in seine Plastikhülle zurück. «Sie ist vor sechs Jahren gestorben. Ich erinnere mich noch, wie sie ihre Tasche packte und ging. Sie sagte zu Jimmy und mir: ‹Hört gut zu, ihr beiden, ich muß für eine Zeitlang verreisen. Mr. Farraday wird sich um euch kümmern.› Sie hat nämlich für ihn gearbeitet. Ich glaube, er hat sie sehr gern gehabt und sie ihn auch. Und sie sagte noch: ‹Macht euch keine Sorgen; es dauert vielleicht eine Weile, aber ich komm bestimmt wieder zurück.› Aber das war gelogen. Sie ist nie zurückgekommen.» Penny hob den Kopf und blickte über den Fluß. Wahrscheinlich sah sie weder die Weiden noch die überfütterten Schwäne, die am Ufer dümpelten, auch nicht die leuchtend bunten Vergnügungsboote, die am Ufer vertäut waren. «Sie ist an Auszehrung gestorben. Das haben sie uns zumindest gesagt. Aber Jimmy und ich haben nie herausgefunden, was das eigentlich ist. Geändert hätte das auch nichts. Schätze, man kann jede Krankheit, an der man stirbt, so nennen.»
    Jury schwieg und wartete. «Junge, war sie hübsch! Auf dem Foto sieht man das vielleicht nicht –»
    «Doch, sieht man. Sie sieht genauso aus wie du.»
    Höchst erstaunt starrte sie ihn an. Ihre Augen schienen das Gold des Tages widerzuspiegeln. «Ach, kommen Sie … keiner hat auch nur einen Blick für mich, wenn die beiden in der Nähe sind.»
    «Manche Leute haben eben keinen Geschmack. Und was ist mit deinem richtigen Vater?»
    Sie ließ ihre Kippe auf den Boden fallen. «Schätze, er ist auch gestorben. Offen gestanden glaube ich, er und unsere Mama waren gar nicht verheiratet. Vielleicht hab ich ihn gekannt. Ich erinner mich nicht. Aber Jimmy, er hat nie …» Das wurde mit einem tiefen Seufzer hervorgestoßen, der aber keinerlei Vorwurf enthielt. Jeder macht Fehler, schien ihr Ton zu besagen.
    «Und er heiratet also mir nichts, dir nichts diese Amelia Blue. Sie und Honey Belle halten uns einfach für seine unehelichen Bälger, das ist sonnenklar. Oh, sie sagen das natürlich nicht laut, das würden sie sich nie trauen; aber ihre Blicke sagen es. Man sieht das in ihren Augen, sobald sie uns nur ansehen. Diese Honey Belle – da, wo ich herkomme, gibt es ’ne passende Bezeichnung für so eine wie die. Ich bin im tiefsten West Virginia geboren – das hört man, meine Aussprache ist nicht sehr fein –, und Mädchen wie die nennt man dort einfach F-O-T-Z-E. Sie entschuldigen diesen Ausdruck – ich schätze, Sie sind nicht allzu geschockt. In West Virgina gibt es alles mögliche, auch F-O-T-Z-E-N, aber ich schwör bei Gott dem Allmächtigen –» um nicht für eine Heuchlerin gehalten zu werden, legte sie zur Bekräftigung die Hand aufs Herz – «nicht so eine, die so mit Leib und Seele eine ist. So was kann ja nur aus Georgia kommen. Inzwischen leben wir

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