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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sich schon erheben, um ihr einen zu holen, aber Lady Dew fächelte ihn zurück auf seinen Platz. «Bemühen Sie sich nicht. Sie wird ihn schon bringen. Was führt Sie zu uns, junger Mann?»
    Cyclamen wußte, wann sie geschlagen war, und machte sich mit hochrotem Kopf auf zur Bar. Melrose hätte sich nicht gewundert, wenn sie auf allen vieren durch den Raum gekrochen wäre.
    «Ich höre mich im Auftrag der Polizei etwas um. Nein, ich bin nicht von der Polizei, aber Superintendent Jury von Scotland Yard hat mich gebeten, bei Ihnen vorbeizuschauen.»
    Hinter Strähnen dünnen grauen Haars zogen sich die buschigen schwarzen Augenbrauen fragend zusammen. Ihr zahnloser Mund glich nur mehr einer Einbuchtung zwischen der Hakennase und dem vorspringenden Kinn. Lady Dews körperliche Erscheinung wirkte, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Was aber ihren Verstand betraf, so war sie topfit. «Würde mich keineswegs wundern, wenn jemand dieser Schlampe Amelia die Kehle durchgeschnitten hätte.»
    Melrose wunderte sich allerdings: «Sie meinen, Sie haben Grund zu der Annahme, daß eine Ihrer Reisegefährtinnen sich in Gefahr befindet?»
    «Sie sagten doch eben Polizei, nicht?»
    «Äh … ja. Aber eigentlich geht es um eine gewisse Gwendolyn Bracegirdle.»
    «Dieses Schaf. Was hat sie denn angestellt? Das alte Haschmich-Spielchen – kann ich mir bei der gar nicht vorstellen, so wie die aussieht. Diese Amelia hingegen –»
    Cyclamen war zurück, in der Hand ein Glas. «Also wirklich, Tante, du solltest nicht so reden über–»
    «Oh, halt den Mund. Ich sage, was ich will. Ich habe drei Männer begraben, zweimal ein Vermögen verloren und wieder zusammengerafft, bin fünfmal festgenommen worden und habe versucht, die Nelsonsäule rauf zuklettern; ich habe splitternackt auf dem Rasen vor dem Kristallpalast getanzt, und ich hab’s mit allem getrieben, was Rang und Namen hatte.»
    Cyclamen schloß die Augen. «Ist ja schon gut, reg dich nur nicht auf, Tante.»
    «Wenn ich mich doch nur noch aufregen könnte. Also, was ist mit dieser Bracegirdle los?» fragte sie und trank in einem Zug das halbe Glas leer.
    «Gwendolyn?» fragte Cyclamen, und ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. «Was ist passiert?»
    «Ich wollte Lady Dew gerade die Geschichte erzählen. Miss Bracegirdle hatte … einen Unfall. Einen ziemlich schweren. Sie ist tot.»
    Lady Dew schien das nicht weiter zu berühren, während Cyclamen völlig außer sich geriet und lauter unzusammenhängende Fragen hervorstieß, bis Melrose sich schließlich gezwungen sah, die Sache kurz zu machen. «Nein. Sie wurde ermordet.»
    Die alte Frau schien entzückt zu sein – sie mochte das Leben pur, samt Gin und allem, was ihr sonst noch an Aufregendem geboten wurde; die Jüngere hingegen sank gekonnt in Ohnmacht.
    «Ach, was soll der Quatsch, Cyclamen. Die Frau ist tot und damit basta.» Mit neuem Interesse wandte sie sich Melrose zu: «Ein Sexualverbrechen, war es das?»
    «Die Polizei ist sich nicht sicher.»
    «Aber ich bin mir sicher – in der Hinsicht war nämlich mit der guten alten Gwendolyn überhaupt nichts los. Die kann doch den Hund nicht vom Schwanz unterscheiden. Glauben Sie mir, ich kenne mich da aus.»
    Als sie sich zu ihm herüberbeugte und ihre arthritische Hand auf sein Knie fallen ließ, bot er ihr schnell eine Zigarette an, um sie wieder loszuwerden. Während Cyclamen sie an Dr. Sackvilles Instruktionen in bezug auf das Rauchen erinnerte, ließ sie sich Feuer geben.
    «Was können Sie mir über Ihre Reisegefährten erzählen?» fragte Melrose und rutschte auf seinem Stuhl außer Reichweite.
    «Nichts.»
    «Allerlei.»
    «Also wirklich , Tante.»
    «Halt den Mund!»
    «Nur Klatsch, sonst nichts!»
    «Na und?» Wären in diesem Gefecht nicht Worte, sondern Kugeln zwischen den Damen hin und her geflogen, hätte Melrose bestimmt nicht überlebt.
    Keuchend und vor sich hin paffend, rückte die alte Dame ihren Stuhl Zentimeter um Zentimeter an Melrose heran. «Haben Sie die Farraday-Sippe schon einmal gesehen? Diese Amelia ist mindestens zwanzig Jahre jünger als er. Ganz klar, warum er sie geheiratet hat.» Lady Dew beschrieb mit den Händen vielsagende Kurven. «Und die Tochter ist genauso nuttig wie die Mutter. Sie hätten sehen sollen, wie sich die beiden in Amsterdam an diesen Cholmondeley rangemacht haben – Sie kennen ihn?»
    Cyclamen lauschte diesem Redefluß mit starrer Geduldsmiene und legte ihrer Tante beruhigend die Hand auf die klauenartigen

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