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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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womöglich der Auslöser.«
    »Röhm selbst?«
    »Glaube ich kaum. Der war zu hochrangig für so einen Routineauftrag.« Maples nahm sein Glas, stellte es wieder ab. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die auf Rache sinnen, sich gedulden können. Sie können lange, lange warten. Sie zögern auch nicht, zusammen mit den Schuldigen weitere Unschuldige in den Abgrund zu zerren. Nicht im Mindesten.«
    Jury fragte: »Warum brachten Sie das zur Sprache?«
    Als Maples nicht sofort antwortete, deutete Jury sein Schweigen als Zweifel, ob er überhaupt antworten sollte. Doch dann sagte er: »Kurt Brunner ist, wie Sie wissen, Deutscher.«
    Jury wartete ab.
    »Ich habe viel nachgedacht über diesen Kindertransport und Kurt Brunner.«
    Wegen Sir Oswalds offensichtlichen Unbehagens versuchte Jury der Geschichte auf die Sprünge zu helfen: »Sie glauben, Kurt Brunner hatte etwas mit diesem Zwischenfall um General Röhm zu tun?«
    Ein knappes Nicken von Maples. »Ja, das glaube ich.« Er rutschte auf seinem Sessel hin und her und fuhr fort: »Kurt ist etwa Mitte fünfzig, glaube ich. Dann wäre er zu der Zeit, als man mit dem Kindertransport begann, ungefähr drei oder vier gewesen. Das war 1939.«
    Jury musterte ihn unruhig. »Ja. Und was?«
    »Der jüdische Junge, der von Röhm erschossen wurde. Sein Name war Josef Brunner. Er hatte einen jüngeren Bruder.« Maples verstummte, sah zu Jury hinüber.
    »Wollen Sie damit sagen, Kurt Brunner ist dieser Bruder?«
    Maples nickte. »Möglich ist es.«
    »Und Sie glauben, er hat Billy umgebracht?«
    Sir Oswald machte den Mund auf, schien aber unfähig, Worte zu bilden.
    »Aber warum ? Billy Maples war doch nicht in diese gegenseitigen Racheakte verwickelt.«
    »Nein, aber Kurts Bruder Josef war auch nicht in die Erschießung von Röhms Sohn verwickelt. Wie Sie sagten, es ging hin und her. Unschuldige haben schon so oft die Verantwortung für die Schuldigen übernommen, sind sozusagen an die Stelle der Schuldigen getreten.« Maples rieb sich mit dem Daumen über die Stirn.
    »Wer ist in diesem Fall mit den Schuldigen gemeint?«
    Maples antwortete ausweichend. »Für mich ist es ein zu großer Zufall, dass Billy ermordet wurde, während Brunner für ihn arbeitete.«
    Jury musterte ihn skeptisch. »Zufall? Ich sehe da aber keine Verbindung.«
    »Die Verbindung, fürchte ich, ist Roderick.«
    » Roderick? Was hat er mit Kurt Brunner zu tun?«
    »Sie erinnern sich, dass ich Ihnen sagte, er sei adoptiert worden. Das war nach dem Krieg. Er war eines von den Kindern, die hierher in Sicherheit gebracht wurden, und meine Frau – sie hatte viel Mitgefühl für diese Kinder – nun, sie wollte eines annehmen.«
    Jury richtete sich auf. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Sein Vater war Deutscher. Ich kann in diesem Fall die Versuchung verstehen, Rache üben zu wollen. Es ist ziemlich furchtbar.«
    Jury beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Oswald, Sie wollen doch nicht etwa sagen, Rodericks Vater war –«
    Als hätte er nicht schon die ganze Zeit eine sensationelle Mitteilung nach der anderen gemacht, erwiderte Maples in vollkommen ruhigem, gesetztem Ton, den Daumen über die Stirn reibend: »Doch, das will ich damit wohl sagen – General Röhm wäre somit Billys Großvater. Sie erinnern sich, ich sagte, wir hätten Roderick adoptiert. Ich bin nicht Billys leiblicher Großvater. Wenn Sie der Bruder von Josef Brunner wären, des Kindes, das Röhm erschossen hat, würden Sie Röhm denn dann nicht ermorden wollen? Und da der General nicht greifbar war, nachdem er eines natürlichen Todes gestorben war … Kurt Brunner hätte natürlich Roderick ermorden können. Aber wenn man jemandem einen möglichst großen Schmerz zufügen will, wäre doch der Enkel das Ziel, oder nicht? Das würde mehr Menschen schmerzen –« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, ich weiß es einfach nicht.« Jury auch nicht. Er konnte es kaum fassen.

33
    Am Berkeley Square fingen die Bäume gerade erst an auszuschlagen. Es war ein kalter Frühling gewesen.
    Eine zwergenhafte Hausangestellte mit einem Gesicht, das Jury lieber nicht mit den Objekten an der Wand vergleichen wollte, machte ihm diesmal bei Angela Riffley auf. Ein merkwürdig aussehendes kleines Geschöpf. Jury fragte sich, ob ihr unförmiges Gesicht und der kleine Wuchs genetisch bedingt waren oder ob Riffley sie immerzu gedeckelt hatte.
    Während er sich in der Eingangshalle die Beine in den Bauch stand, dachte Jury über Riffley

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