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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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richtig nachgedacht. Von der exquisitesten und zivilisiertesten Konversation nur sanft abgemilderte Gewalt.
    Darüber grübelte er nun die ganze Zeit nach, während sein Tee gebracht, eingeschenkt und getrunken wurde.
    Mit dem Mord an Billy Maples hatte es allerdings nichts zu tun.
    Ein junger Mann – weltgewandt, reich und gut aussehend – beschließt, in einer alten Hafenstadt, die einst Heimat eines berühmten Schriftstellers gewesen war, Quartier zu nehmen. Ein Haus, das er nur durch Vermittlung des ehrwürdigen, zweifellos anspruchsvollen National Trust bewohnen durfte. Melrose selbst war keiner derart peinlich genauen Überprüfung unterzogen worden, da die Sache von Scotland Yard in die Wege geleitet worden war.
    »Soll das heißen« , hatte Melrose zu Jury gesagt, »die nehmen mich, ohne in meiner Vergangenheit herumzustochern?«
    »Die können es sich nicht leisten, da so pingelig zu sein.«
    Irgendwie gefiel es Melrose nicht so recht, wie sich diese Bemerkung anhörte.
    Er sah sich im Raum um, als könnte dieser vielleicht einen Hinweis auf Billys Verhalten liefern.
    Scones, Himbeerkonfitüre, Schlagsahne. Er betrachtete das Teetablett, das man ihm hingestellt hatte, und seufzte. Indem er einen Löffel voll Konfitüre auf ein Scone setzte, empfand er fast so etwas wie Übereinstimmung mit der hingebungsvollen Haltung seiner Tante gegenüber dem Nachmittagsritual. Nur dass Agatha nichts von der Stille hielt, die dieses umgeben sollte. So wie die Stille hier. Melrose lehnte sich zufrieden zurück. Bis auf das Ticken der Standuhr und leises Geschirrklappern aus der Küche war nichts zu hören. Es hatte aufgehört zu regnen, die Sonne schien auf die nasse Gartenmauer. Das Haus eines Schriftstellers, schlicht und unverfälscht.
    Ob Billy sich selbst als Schriftsteller gesehen hatte? Nein. Von den Leuten, mit denen Jury gesprochen hatte, war kein Hinweis darauf gekommen. Und Melrose konnte sich nicht vorstellen, dass ein Autor über lange Zeit Schweigen bewahren konnte. Er selbst würde bei seinen Freunden ganze Seiten oder auch bloß Absätze herumgehen lassen und ihnen die ganze Zeit die Ohren vollquatschen. Billy Maples hätte doch bestimmt etwas davon erzählt. Es konnte natürlich auch eine geheime Leidenschaft gewesen sein. Vielleicht hatte Billy angenommen, es würde ihn inspirieren, im Haus eines großen Schriftstellers zu wohnen.
    Melrose wandte sich um und betrachtete die Bücher hinter ihm, die gesammelten Werke von James, und fühlte sich plötzlich ziemlich benommen. Buchstaben purzelten ihm durch den Kopf, Menschen, die so akribisch beschrieben waren, dass kein Haar, keine Pore ohne Erklärung blieb.
    Als die Uhr schlug, stellte er fest, dass er eine Viertelstunde lang das eine Scone in der Hand gehalten hatte. Erfreut über die Erkenntnis, dass er einen derartigen Zustand von Trägheit zu meistern verstand, meinte er, sich nun ein wenig bewegen zu müssen, so wie jemand auf einer langen Zugreise beschließt, seinen Sitzplatz zu verlassen und den Gang auf und ab zu gehen. Er stand nicht auf.
    Er stellte seine Tasse auf den Unterteller und fand, dass das Porzellan eigentlich zu fein war, jedem x-beliebigen Mieter hier aufgetischt zu werden. Er blieb noch ein paar Minuten sitzen und überlegte, dass er sein Gepäck hinaufbringen und endlich auspacken sollte, stand auf und setzte sich wieder hin. Inzwischen hatte sich der Sessel seinen Konturen angepasst. Fing er nun etwa schon an, leblose Materie mit Vernunft auszustatten? Das war wohl eher Poes geistige Richtung und Denkungsart – nicht die von Henry James.
    Melrose griff hinter sich und zog eine Sammlung von James’ Erzählungen aus dem Regal, darunter eine mit dem Titel »Die Lektion des Meisters«. An diese Geschichte erinnerte er sich, weil er sie ziemlich bedrohlich gefunden hatte: Ein berühmter Autor gab dem Erzähler, einem aufstrebenden Nachwuchsautor, den Rat, niemals zu heiraten, da die Anforderungen des Ehelebens seinen Schreibarm beträchtlich schwächen würden. Er würde anfangen, für Geld zu schreiben, wie auch der ältere Schriftsteller geendet hatte, und hauptsächlich seine Frau dafür verantwortlich machen, da diese seine Neigung unterstützt hatte, glatte, wenig anspruchsvolle Bücher zu schreiben, für die er aber hübsch entlohnt wurde.
    Hier hatte sich James allerdings einen schrecklichen Kunstgriff geleistet. Am Ende, als die Frau des erfolgreichen Schriftstellers stirbt, heiratet der umgehend das Mädchen, das sein

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