Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
Vom Netzwerk:
junger Kollege um der Schriftstellerei willen geopfert hatte. Melrose fragte sich, worin die »Lektion« hier bestand. Diente sie lediglich dem Selbstzweck? Er klappte das Buch zu und dachte darüber nach. Dann schloss er die Augen.
    »Ich bitte sehr um Verzeihung, Sir …«
    Die Köchin stand plötzlich dicht vor ihm. »Ich glaube, Sie sind grade eingeschlafen. Entschuldigen Sie die Störung, aber ich muss jetzt abzwitschern.«
    Höchst verblüfft stellte Melrose fest, dass er tatsächlich eingenickt war. Er schlief sonst nie am Nachmittag. Obwohl er es manchmal versucht hatte, wenn Agatha zugegen war. »Ach, Mrs. Jessup. Ich bin wohl gerade eingenickt.«
    »Sind vermutlich müde von der Reise.«
    Die Reise hatte knappe anderthalb Stunden gedauert.
    »Na, jedenfalls«, sagte sie, »muss ich um halb sieben woanders sein, ich habe Ihnen aber Ihr Abendessen im Kühlschrank und auf dem Herd gelassen, ist alles fertig bis auf das Kotelett, das aber überhaupt keine Umstände macht. Es wird grade noch mariniert. Gemüse ist alles fertig, das müssen Sie bloß noch zum Warmmachen in den Ofen schieben. Oder in die Mikrowelle …« Sie redete weiter.
    Holen Sie sich doch einen Stuhl her , dachte Melrose. In der Zeit, in der sie erklärte, was zu tun war – dabei gelang es ihm nur mit Mühe, ernst zu bleiben, als er sich vorstellte, er und das marinierte Kotelett … –, in der Zeit also hätte die Mahlzeit gekocht und verzehrt sein können, und sie hätten sich gegenseitig bei Kaffee und Brandy die Geschichte ihres Lebens erzählen können.
    »Schon in Ordnung, Mrs. Jessup. Ich wurstle mich da schon durch. Das Abendessen ist überhaupt kein Problem.« Vor allem, weil er vorhatte, sich in die Mermaid Tavern gleich in der Nähe zu begeben und es zu bestellen.
    »Na, dann.« Sie wandte sich zum Gehen.
    »Der Herr, der vorher hier gewohnt hat …« Er sah, wie ihre Hand den Mantel fahren ließ.
    »Sie meinen, Mr. Maples. Ich kann’s immer noch nicht glauben.«
    »Setzen Sie sich doch einen Moment, ja?«
    Sie setzte sich hin und sah mit leerem Blick aus dem Fenster.
    »Ich habe es in der Zeitung gelesen«, sagte Melrose. »Aber man weiß ja nie, ob einem die Zeitungen die ganze Geschichte erzählen. Trotzdem … es schien doch sehr eigentümlich.«
    »Das war es auch, tatsächlich. Ich werd es nie begreifen.«
    Er hatte das Gefühl, dies sagte sie wie jemand, der es aus irgendeinem Grund doch begreifen sollte. Der Gedanke an Billy Maples Tod hatte sie innehalten lassen, als müsste sie um halb sieben nun doch plötzlich nirgends sein. »Er lebte in London, nicht wahr?«
    »Ja, in Chelsea. In der Sloane Street.«
    »Das ist aber doch ein wenig seltsam, nicht, dass so ein junger Kerl sich in einem Anwesen des National Trust einmietet.«
    »Auch nicht seltsamer als Sie, Sir.« Dann merkte sie offenbar, dass das unverschämt klang, und entschuldigte sich.
    Ihre Antwort hatte ihn etwas geschockt. Doch er meinte lächelnd: »Absolut nicht.«
    Sie errötete und redete rasch weiter. »Ich meine, Sie sollen ja bloß ganz kurz hierbleiben, sagte man mir.«
    »Das ist völlig richtig.« Er lächelte. »Ein Gefallen für einen Freund.«
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich behalten, Sir. So habe ich Zeit, mir was anderes zu suchen, bevor die festen Mieter einziehen.«
    »Vielleicht wollen die ja auch, dass Sie bleiben.«
    »Das glaube ich nicht, Sir. Leute, die sich hier einmieten, die haben gewöhnlich kein Personal.«
    Sie waren vom Thema weit abgekommen, und er lenkte das Gespräch wieder behutsam auf Billy Maples zurück. »Kam er Ihnen denn so vor wie« – was für eine dämliche Frage sollte denn das werden: wie einer, der sich ermorden lassen würde ? – »wie jemand, der die Bücher von Henry James schrecklich gern mochte?«
    Sie überlegte. »Also, ich weiß, die hier hat er gern gelesen. Ich hab’s auch versucht, ein paar Mal. Also, ich werd genauso wenig schlau draus.«
    Melrose gefiel der Ausdruck »genauso wenig«. Es war, als besäßen der Mord an Maples und die Romane von Henry James das gleiche Gewicht.
    »War er denn ein sehr geselliger Mensch? Wenn man sich das hier« – Melrose sah im Zimmer umher, machte eine ausladende Geste – »dieses Haus und dieses Städtchen ansieht, könnte man meinen, er war ein wenig eigenbrötlerisch.«
    »Um ehrlich zu sein, Sir, er hatte schon ganz gern Gesellschaft. Und dann ging er manchmal auch in seine Wohnung in London zurück. Wenn Sie mich fragen – er war schon ein

Weitere Kostenlose Bücher